China macht Werften Konkurrenz

Die Gegenwart des deutschen Schiffbaus ist rosig - für die Zukunft sieht der Verband »rot«

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.

Laura Ludwig und Kira Walkenhorst, Olympiasiegerinnen im Beachvolleyball, tauften das neueste Traumschiff des Tourismuskonzerns TUI. Taufe und anschließendes Feuerwerk nebst »Ehrenrunde« gehörten zu den Höhepunkten des 829. Hamburger Hafengeburtstages, der am Sonntag zu Ende ging. TUI lässt sich »Mein Schiff 1« etwa 500 Millionen Euro kosten. Das sei gut angelegtes Geld, meinte der Vorstandsvorsitzende Fritz Joussen bei der Vorstellung der Zahlen zum ersten Halbjahr, die an Bord des neuen Schiffes stattfand. Weitere Kreuzfahrtschiffe sind bestellt. »Durch den demografischen Wandel wachsen traditionelle Zielgruppen, gleichzeitig werden Seereisen bei Familien und jüngeren Menschen immer beliebter.« Joussen erwartet, dass sich das Wachstum in den nächsten fünf bis zehn Jahren noch »weiter beschleunigen« werde. »Und wir stehen erst am Anfang dieses Trends.«

Von dem Trend profitiert in Deutschland bislang besonders die Meyer Werft im niedersächsischen Papenburg. Das neue TUI-Flaggschiff wurde von Meyers finnischer Tochtergesellschaft in Turku gebaut. Noch teilt sich der Familienkonzern den wachsenden Weltmarkt allein mit Fincantieri/STX. Die italienischen und französischen Werftengruppen schlossen sich im Februar zusammen. Doch nun erwächst Meyer ausgerechnet in Deutschland ernst zu nehmende Konkurrenz.

In mehreren Schritten erwarb der malaysische Mischkonzern Genting die Lloyd Werft in Bremen sowie die drei MV Werften in Rostock, Stralsund und Wismar. Dort startete der Neuling im März den Bau seines ersten »Global-Class«-Kreuzfahrers. Es soll »das größte Passagierschiff werden, das jemals in Deutschland gebaut wurde« - und dank des Einsatzes von Künstlicher Intelligenz gleichzeitig das technologisch fortschrittlichste.

Ob Genting seinen Worten Taten folgen lassen kann, bleibt abzuwarten. Kreuzfahrtschiffe, die Tausende Menschen an Bord nehmen, gehören zu den komplexesten Industrieprodukten überhaupt und gelten als Perlen der maritimen Ingenieurskunst. In der Vergangenheit hatten sich die MV Werften mit dem Bau weniger anspruchsvoller Fähren schwer getan.

Zwar haben Landesregierungen und IG Metall in den vergangenen Jahren viel getan, um Standorte zu erhalten, doch die häufigen Eigentümerwechsel haben das Personal ausgedünnt. Nun fehlen bei Werften und Zulieferern eintausend Fachkräfte allein in Mecklenburg-Vorpommern, sagte der neue Maritime Koordinator der Bundesregierung, Norbert Brackmann (CDU), auf der Jahrestagung des Verbandes für Schiffbau und Meerestechnik (VSM) vergangene Woche in Hamburg.

Experten äußerten sich am Rande der VSM-Tagung durchaus optimistisch: Genting könne viele Module wie Kabinen und Theater zukaufen. Das an der Börse in Hongkong notierte Reiseunternehmen setzt auf Eigenbauten, weil Meyer und Fincantieri/STX mindestens bis ins Jahr 2023 ausgelastet sind. Aber Genting will seine Flotte zügig aufrüsten, um den entstehenden Kreuzfahrt-Markt in Asien und China schnell zu bedienen.

Gerade China bereitet deutschen Werften Bauchschmerzen. Die Volksrepublik investiere Milliarden Euro in die Branche, sagte VSM-Präsident Harald Fassmer. »Das ist eine Bedrohung, die wir sehen.« Die Regierung habe den Bau von hochwertigen Spezialschiffen zu einem von zehn strategischen Zielen erklärt. »Und die Vergangenheit hat gezeigt, dass China konsequent umsetzt, was es sich vornimmt.« Chinas Werften hätten bereits mit Kampfpreisen zahlreiche Aufträge für Fähren in Europa eingeworben und begännen nun sogar mit dem Bau von Kreuzfahrtschiffen.

Wie bei Autos und Flugzeugen öffnet China zwar seinen Markt. Aber im Gegenzug stellt es »Local-Content-Anforderungen« - westliche Hersteller sollen vor Ort in der Volksrepublik produzieren. Als erste Werft folgt Fincantieri den Lockrufen. Mit Hilfe des italienischen Staatsunternehmens will die China State Shipbuilding Corporation (CSSC) die ersten zwei Kreuzfahrtschiffe für den chinesischen Markt bauen. Der Neubauauftrag soll fast 1,5 Milliarden Euro schwer sein. Davon dürften auch deutsche Zulieferer wie die Mecklenburger Metallguss profitieren. Vier weitere Schiffe sind geplant. Besteller ist der US-Reiseveranstalter Carnival, zu der auch die Rostocker Reederei AIDA gehört.

Trotzdem zeigt sich der deutsche Schiffbau optimistisch. Die hohe Spezialisierung auf saubere und sichere Technologien »zahlt sich aus«, so der VSM. Der Umsatz der Seewerften stieg 2017 auf über drei Milliarden Euro - bei einem Auftragsbestand von fast 18 Milliarden.

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