Was für jeden

In sengender Hitze sprinteten beim Velothon Radsportler aller Ambition durch Berlin

  • Marie Frank
  • Lesedauer: 4 Min.

»Geschafft!«, freut sich Petra Weiher sichtlich erleichtert, dass sie die 60 Kilometer beim diesjährigen Velothon bewältigt hat. Sicher war sie sich dessen im Vorfeld nicht. Die 57-Jährige hat zum ersten Mal an dem beliebten Jedermannrennen teilgenommen, das am Sonntag bei strahlendem Sonnenschein in Berlin stattfand. Groß darauf vorbereitet habe sie sich nicht, vor sechs Wochen saß sie zum ersten mal auf dem Rennrad, erzählt sie. Sonst fahre sie eher mit dem Trekkingrad querfeldein. Trotzdem startete die gebürtige Potsdamerin für das »nd«-Team, das seit dem ersten Velothon im Jahr 2008 bei der »schnellsten Stadtrundfahrt der Welt« mit dabei ist. »Es hat mich gereizt, auf den schön leeren Straßen durch Berlin zu fahren«, verrät Weiher.

Mit einer Fahrzeit von 2:24:26 Stunden ist sie nicht ganz so schnell wie ihr Teamkollege Wolfgang Groneberg, der mit einer Zeit von 1:32:04 Stunden Erster in seiner Altersklasse wurde. Damit war der rüstige 77-Jährige nur weniger als zwei Minuten langsamer als der Gesamt-Erstplatzierte Pawel Szczepaniak. Mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 41,5 km/h ist Groneberg zwar über 10 km/h schneller als Weiher durch die Hauptstadt geradelt, sie ist aber trotzdem zufrieden mit ihrem Ergebnis. »Ich kann mir gut vorstellen nächstes Jahr noch mal teilzunehmen. Vorher will ich allerdings mehr mit dem Rennrad üben.«

Davon hält Tobias Mayer überhaupt nichts. »Training wird überbewertet«, meint der 43-jährige Feuerwehrmann, der ebenfalls zum ersten mal dabei ist. »Körperliche Fitness ist völlig ausreichend«, behauptet der groß gewachsene Nordfriese. Spurlos an ihm vorbeigegangen sind die 60 Kilometer dann aber doch nicht. »Jetzt tut mir ganz schön der Hintern weh.« Trotzdem wollen Mayer und seine Frau, die die 100-Kilometer-Distanz gefahren ist, auf jeden Fall noch mal mit dabei sein. »Das war Stimmung pur und hat total Spaß gemacht«, freut sich Mayer. Als nächstes stehen im August jedoch erst mal die Cyclassics, das Hamburger Äquivalent zum Velothon, an. »Dafür würde ich dann vielleicht doch trainieren. Damit der Hintern nicht so weh tut.«

Eine Besonderheit beim Velothon sind die mit Sehenswürdigkeiten gespickten Strecken. Über 60, 100 oder 160 Kilometer können die Rennteilnehmer quasi nebenher Sightseeing betreiben. Für Mayer, der extra aus Struckum, einer kleinen Gemeinde in Schleswig-Holstein nahe der dänischen Grenze, nach Berlin gereist ist, etwas ganz Besonderes. »Es war echt interessant für mich, als Landei durch die Hauptstadt zu fahren und die ganzen Sehenswürdigkeiten zu sehen.« Und das nahezu ungestört: Für das alljährliche Amateur-Radrennen, das in diesem Jahr aufgrund der Fanmeile zur Fußball-Weltmeisterschaft früher als sonst stattfand, wurde nahezu die gesamte Berliner Innenstadt komplett abgesperrt.

Los ging es um 7.30 Uhr am Potsdamer Platz. Bis zum Brandenburger Tor stehen Tausende Radsport-Begeisterte und warten bei für die frühe Uhrzeit ungewöhnlich mildem Wetter ungeduldig auf den Startschuss. Knapp zehntausend Menschen nahmen in diesem Jahr an dem Rennen teil. Die Fahrer sind dabei so unterschiedlich wie die Räder, auf denen sie sitzen: Vom Rennrad übers Citybike bis zum Klapprad ist alles dabei. Sogar ein paar Tandems sind zu sehen.

Als die ersten gegen neun Uhr ins Ziel am Brandenburger Tor einfahren, werden sie schon von Hunderten jubelnden Zuschauern begeistert empfangen. Einige geben auf den letzten 100 Metern der Straße des 17. Juni noch mal ordentlich Gas, andere lassen sich gemütlich ausrollen, ein Pärchen fährt sogar händchenhaltend ins Ziel. Nicht lange nachdem die letzten Nachzügler vom 60-Kilometer-Rennen ankommen, rast auch schon der erste 160-Kilometer-Fahrer über die Zielgerade. Mit unglaublichen vier Minuten Vorsprung und einer Fahrzeit von 3:48:21 Stunden wird Valentin Szalay klar Erster.

Auf die Teilnehmer der 100 Kilometer Etappe müssen die Zuschauer aufgrund des späteren Starts um 10.30 Uhr länger warten. Der Vorteil des Ausschlafens wird jedoch durch die sengende Mittagshitze rasch wieder zunichte gemacht. Das musste auch »nd«-Teamchef und Sportredakteur Oliver Kern am eigenen Leib erfahren, der dachte, aufgrund der in diesem Jahr um 20 Kilometer gekürzten Strecke auf eine Pause verzichten zu können. »Die Hitze und der Wind haben mir auf der zweiten Hälfte doch sehr zu schaffen gemacht.«

Am Schluss schaffen es jedoch alle Teilnehmer des »nd«-Teams heil ins Ziel, nur einer schied aufgrund einer Panne frühzeitig aus dem Rennen aus.

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