Nicht zu lange freuen
Simon Poelchau über den Schlichterspruch im Baugewebe
Die IG BAU kann sich erst mal freuen. Mit dem Schlichterspruch vom Wochenende hat die Gewerkschaft fast alles bekommen, was sie für die Beschäftigten auf den Baustellen gefordert hat. Die Arbeitgeber werden den Spruch wohl auch annehmen, weil das ordentliche Lohnplus dank prall gefüllter Auftragsbücher dicke drin ist und damit kostspielige Arbeitskämpfe abgewendet werden.
Doch sollte sich die IG BAU nicht zu lange auf ihrem jüngsten Erfolg ausruhen. Schließlich leidet sie seit Jahren unter Mitgliederschwund, und der Tarifvertrag wird vermutlich erst mal nur bei der Minderheit der Bauarbeiter ankommen. Denn nur 40 Prozent von ihnen arbeiten in Betrieben mit Tarifbindung. Bauherren machen in Zeiten explodierender Immobilienpreise lieber einen Extraprofit, als dass sie anständig für ihre Aufträge zahlen. So entsteht auf den Baustellen ein System aus Sub-Sub-Sub-Unternehmern, die längst nicht mehr nur aus Deutschland kommen, mit einem einzigen Ziel: Kostensenkung um jeden Preis. Die Leidtragenden sind letztlich diejenigen, die sich schinden für einen Hungerlohn, damit die neuen Luxuswohnungen fristgerecht fertig werden.
Die IG BAU kann deshalb nur wirklich zufrieden sein, wenn sie auf jeder Baustelle im Land vertreten ist und der von ihr erzielte Tarifvertrag für jeden Malocher und jede Malocherin auf dem Bau gilt. Egal, ob sie aus Deutschland, Polen und woher auch immer stammen.
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