Airport-Rave in Tegel

Wenn der Flughafen schließt, sollen einige der Gebäude danach kulturell genutzt werden

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 3 Min.

Ehemalige Flughäfen können ein klassisches Nachnutzungsfeld für Künstler sein. Zehntausende Berliner dürften auch in diesem Jahr beispielsweise auf den »Kulturkosmos« nach Lärz in Mecklenburg-Vorpommern gefahren sein - einem ehemaligen Militärflughafen der sowjetischen Streitkräfte. Beim Musikfestival »Fusion« wird nicht dort für einige Tage nicht nur der »Ferienkommunismus« praktiziert, sondern es gibt die ganze Palette an künstlerischen Angeboten: von elektronischer Musik, Konzerten, Theater bis zu Kinovorführungen.

Warum also nicht auch den Flughafen Tegel umnutzen, wenn er denn nach einer Eröffnung des BER geschlossen werden soll? Viele Bereiche Tegels sind bereits in der sogenannten Urban Tech Republic verplant. Auf dem Flughafengelände soll es nach einem »Masterplan« Areale für Technologie, Forschung und Industrie entstehen. Neben den Gewerbeparks sind Grünflächen und Wohnungen vorgesehen. Neu ist, dass der Senat auch kulturelle Nachnutzungen in einigen der insgesamt 99 vorhandenen Gebäude in Tegel prüft.

»Das wird eine Stadt hier«, sagt Kultursenator Klaus Lederer (LINKE), der sich am Dienstag gemeinsam mit der Clubcommission ein Bild vor Ort machte. Auf der Terrasse des Flughafens stehend, erklärt Lederer: »In der Lärmschutzhalle könnte ein dauerhaftes Open-Air-Areal entstehen.« Konzerte unter freiem Himmel gab es auch auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens Tempelhof.

Ingesamt drei Gebäude haben sich der Senator und Lutz Leichsenring, der Sprecher der Clubcommission, in der 220 Clubs organisiert sind, in Tegel angeschaut. Neben der Lärmschutzhalle, in der früher Düsenantriebe geprüft wurden, könnten im Mietwagenzentrum Ateliers für Künstler entstehen, die Lichtverhältnisse sind zumindest vielversprechend. Richtig Platz, fast 4000 Quadratmeter bietet auch die Cateringhalle. Dort könnten einer oder mehrere Musikclubs unterkommen. »Es geht um einen niedrigschwelligen Zugang zu Räumen, die neu und unerforscht sind«, sagt Leichsenring. »Man muss dem Leben einhauchen.« Mit Musik, Ausstellungen, Flohmärkten oder Tonstudios.

Viele Clubs in der Innenstadt sind von Verdrängung bedroht. Sollte beispielsweise die Stadtautobahn A 100 irgendwann Mal auch übers Ostkreuz zur Storkower Straße weitergebaut werden, müssten auch die weltberühmten Clubs wie das »about blank« oder die »Wilde Renate« schließen, die auf der geplanten Autobahntrasse liegen. Allein zu diesen Clubs reisen an guten Wochenenden Tausende Easy-Jet-Setter aus der ganzen Welt an, um die Nächte durchzutanzen.

Lederer kann sich vorstellen, dass solche Clubs auf dem Gelände in Tegel einen neuen Standort finden. Die nötigen Investitionsmittel könne man auftreiben. »Das werden keine exorbitanten Summen«, sagt der Kultursenator. Auch die schwierige verkehrliche Anbindung ließe sich bewältigen. »Man muss über Shuttle-Lösungen nachdenken«, schlägt der Kultursenator vor. Und: »Wenn hier ein attraktives Nutzungsangebot besteht, nehmen die Leute die Wege in Kauf.«

Einig sind sich der Standortentwickler von Tegel Projekt GmbH, Clubcommission und Kultursenator, dass es richtig ist, bereits jetzt über die kulturelle Nachnutzung des Flughafens zu sprechen - auch wenn in Tegel frühestens ab Mitte 2021 keine Flugzeuge mehr starten werden.

In den von Verdrängung bedrohten Clubs kommt die Flughafenlösung unterdessen nur mäßig an. »Das hat ja den Charme vom Heidepark Soltau«, sagt ein Clubbetreiber, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, dem »nd«.

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