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Fetischgasmaske im Funkensprühregen

Die Science-Fiction-Saga geht weiter: »Solo: A Star Wars Story« erzählt die Vorgeschichte des späteren Rebells Han Solo

  • Thomas Blum
  • Lesedauer: 6 Min.

Gibt es irgendwen da draußen, der oder die in dem mittlerweile ziemlich unübersichtlich gewordenen Sammelsurium aus »Star-Wars«-Prequel-, Sequel- und Franchise-Filmen noch halbwegs durchblickt? Klar: Gut gegen Böse, so viel hat man schon verstanden. Irgendwelche Rebellen, die in sonderbare Mittelaltermarktkleidung gewandet sind, haben sich mit Neonröhren bewaffnet und kämpfen gegen ein sich »das Imperium« nennendes, praktisch das ganze Universum beherrschendes Schweinesystem, dessen ranghohe Offiziere logischerweise schwarze SS-Stiefel und graue Wehrmachtsmäntel tragen und dessen Anführer anscheinend mit einer schweren Atemwegserkrankung zu kämpfen hat. So weit, wie gesagt, alles klar. Aber ist in den offenbar jeweils ineinander lappenden sowie strukturell und personell miteinander verschachtelten Filmen noch so etwas wie eine klare, stringente Erzählung auszumachen oder ist sowieso schon alles wurscht?

Sicher, für die Walt Disney gehörende Produktionsfirma Lucasfilm ist die Marke »Star Wars« von nicht geringer Bedeutung, ist die Story doch ihrem Wesen nach unendlich und daher auch endlos perpetuierbar: Immerfort können neue skurril kostümierte Figuren, neue Haupt- und Nebenhandlungsstränge, neue Episoden, Vorgeschichten und Epiloge und neue lustige Blechdosenroboter, die possierliche Geräusche machen, hinzuerfunden werden, ohne dass irgendjemandem auffiele, dass er im Grunde immer denselben Film sieht. (Es ist wie mit der Imbissrestaurantkette »McDonalds«: Sieht man sich einen »Star-Wars«-Film an, weiß man schon vorher, was einen erwartet. Man entscheidet sich bewusst dafür, kann also vom Konsumierten/Rezipierten nicht wirklich enttäuscht werden.) Auch der Kern der Handlung der Weltraumoper ist ja sehr nah an unserer Gegenwart, die sie im Grunde nur auf märchenhafte, neoromantische und stark simplifizierte Weise - und in die ferne Zukunft verlegt - nacherzählt: Drecksauregimes und -konzerne expandieren und verwandeln die Welt in einen stündlich hässlicher werdenden Ort, während eine Hand voll Ausgebeuteter sich in windigen Wüstenregionen zusammenschließt, sackartige Roben und Togen anzieht und eine Rebellion anzettelt.

Eine der imposantesten, weil im Gegensatz zu seinen Weltraumkompagnons mit Humor ausgestatteten Figuren im fortwährend verwirrender werdenden »Star-Wars«-Kosmos ist bekanntermaßen der Weltraumcowboy, Abenteurer und Luftikus Han Solo (in den Original-»Star-Wars«-Filmen verkörpert von Harrison Ford), der, gemeinsam mit seinem mittels Grunzlauten kommunizierenden Kumpel Chewbacca, einer Art großem lebenden Flokatiteppich, durchs All düst und allerlei fragwürdige Geschäfte macht.

Der neueste »Star-Wars«-Film, »Solo: A Star Wars Story«, erzählt nun seine Geschichte: die eines jungen, draufgängerischen, in eine junge Frau (»Qi’ra«) verliebten Mannes (»Han«), der diverse halsbrecherische Abenteuer erlebt und actionreiche Kämpfe mit bösen Spießgesellen absolviert. Und tatsächlich geht dieser Space-Western gleich standesgemäß los: »It’s a lawless time«, so lautet der erste Satz, der bei Beginn des Films eingeblendet wird. Han muss, gemeinsam mit seinem Schwarm Qi’ra, von seinem Heimatplaneten Corellia, einem vom Imperium zu einer Art Riesenstandort für die Raumschiffproduktion und die daran angeschlossene Sklavenarbeit gemachten Stern, fliehen, und schon da wird optisch und akustisch viel von all dem aufgefahren, was im Wesentlichen auch die spätere Filmhandlung ausmacht: Verfolgungsjagd (auf urbanem nächtlichem Gelände), Schießerei und Geknall, Fanfarendonner, Explosionen, Funkensprühregen, Monsterhunde, zerknitterte Echsenwesen, besagte Blechdosenroboter und die gesichtslosen lustigen weißen Polypropylensoldaten (»Sturmtruppen«). Alles also wie gehabt. Und wie immer schön aseptisch und jugendfrei, es ist eben eine Disney-Produktion: kein Sex, keine Gewalt (außer dem gezeigten Spielzeugpistolen-, Feuerwerks- und Explosionsgeknalle).

Der Zuschauer erfährt, warum Han Solo mit Nachnamen eigentlich »Solo« heißt, wie er zu seinem Raumschiff kommt und wie die Männerfreundschaft Han Solo/Chewbacca entsteht. Überhaupt: schon wieder viel Männerfreundschaft in diesem Film.

Dann geht auch schon die Action weiter (jetzt nicht mehr am Boden, sondern in der Luft, vor einem winterlichen Gebirgspanorama): Han Solo überfällt gemeinsam mit anderen einen Coaxium-Transport, Kampf und Action, Schießerei und Geknall, Explosionen, Funkensprühregen, Fanfarendonner. Apropos Fanfarendonner: »John Powells Filmmusik ist durchgängig allgegenwärtig«, schreibt die »FAZ«. Ja, so kann man das durchaus formulieren. (Coaxium ist übrigens ein superwertvoller Superraumschifftreibstoff, der die gesamte Galaxis antreibt und von dem schon geringste Mengen genügen, um sich durchs halbe All zu katapultieren.) Der Überfall wird jedenfalls vergeigt, Coaxium wird keines erbeutet. Das Beste: Auch nach der ganzen kraftraubenden, turbulenten Kampfaction sehen die überlebenden Beteiligten alle aus wie aus dem Ei gepellt. Super!

Doch jetzt weiter im Plot: Han Solo landet auf einer lauen Abendparty in der Schaltzentrale der superkriminellen Organisation Crimson-Dawn, im Vergleich zu deren Machenschaften ein Mafiamassaker ein Kindergeburtstag ist, und muss dort erfahren, dass seine geliebte Qi’ra mittlerweile eine Art freiwillige Leibeigene des ruchlosen Crimson-Dawn-Anführers ist, einem unvorteilhaft geschnittene Morgenmäntel tragenden FDP-Gesicht namens Dryden Vos. Was tun? »These people are not your friends«, so wird Han Solo von einem Kompagnon gewarnt. Als könnte man sich’s nicht schon denken!

Jedenfalls bekommt Han Solo erneut den Auftrag, mit seinen Kumpels in großem Stil Coaxium zu stehlen. Es kommt, wie’s kommen muss, ein neues Setting muss her: eine Coaxium-Raffinerie auf einem kargen, vegetationsarmen, sandigen Planeten (vermutlich Fuerteventura). Dort folgen Schießerei und Geknall, Fanfarendonner, Explosionen, Funkensprühregen usw.

Später dann natürlich: Lüge, Enttäuschung, Verrat, Intrige, Zweikämpfe. Man kennt das ja.

Das Figurenensemble hat man nicht ohne eine gewisse Liebe zum Quatsch bzw. nicht ohne politischen oder filmhistorischen Anspielungsreichtum zusammengestellt: Es gibt einen aus Metallteilen zusammengeschraubten Droidenpiloten, der in Körpersprache, Gang und Sprechweise dem Klischee einer emanzipierten, resoluten Afroamerikanerin nachempfunden ist und über die Gleichberechtigung von und den freien Willen bei Robotern sinniert. Es gibt hässliche Imperiumsknechte, deren Physiognomie gänzlich von einer Art BDSM-Fetisch-Breath-Control-Gasmaske bedeckt ist, aus deren ins Freie ragenden Atemschlauchenden beständig der Speichel des Trägers rinnt (sehr schöne Idee). Es gibt Piraten/Widerständler, die eine Vorliebe für selbstgebastelte Pelzcapes, Trapperstiefel, futuristische Ritterhelme, Indianerschmuck und Medizinmannmasken zu haben scheinen.

Doch tun sich auch diverse Fragen auf: Warum wirkt die halbe Ausstattung des Films wie aus Mittelalter-, Sandalen-, Piraten-, Ritter-, Kriegs- und Wildwestfilmen zusammengeklaut? Warum ist der halbseidene Lando Calrissian, ein Weggefährte Han Solos, gekleidet wie die schwarzen Zuhälter in den Blaxploitationfilmen der frühen 70er Jahre? Und warum sieht die Gruppe der Widerständler so aus, als hätte man sie direkt vom Set des offenbar gleichzeitig im Studio nebenan gedrehten »Mad-Max«-Sequels geholt? Kann man Liebe zu einer Maschine empfinden? Können Roboter lieben? Und müssen die Disneystudios immer die gleichen, mit ein paar liebevollen Zitatspielereien versehenen superkonventionellen und superöden Blockbuster konzipieren?

»Solo: A Star Wars Story«, USA 2018. Regie: Ron Howard. Drehbuch: Jon Kasdan, Lawrence Kasdan. Darsteller: Alden Ehrenreich, Woody Harrelson, Emilia Clarke, Joonas Suotamo, Donald Glover. 135 Min.

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