Dänische Regierung bekämpft Ghettos

Mit der Privatisierung von Sozialwohnungen, Zuzugsverbot und Kitapflicht geht Kopenhagen gegen arme Bezirke im ganzen Land vor

  • Andreas Knudsen, Kopenhagen
  • Lesedauer: 3 Min.

Sagt man Tingbjerg, Vollsmose oder Gellerupparken, braucht es keine weitere Erklärung für einen Dänen, um alle Warnlampen und Vorurteile zu aktivieren. Dies sind die drei bekanntesten Namen sogenannter Ghettoviertel in Kopenhagen, Odense und Aarhus. Insgesamt sind es 30 solcher Wohngebiete im ganzen Land, die den regierungsamtlichen Stempel »Ghetto« tragen.

Trotz zahlreicher Versuche in den vergangenen Jahren, den Status dieser Viertel zu verbessern, spricht die Statistik weiterhin eine deutliche Sprache: durchschnittlich wesentlich geringerer Bildungsgrad, deutlich geringere Einkommen, hohe Arbeitslosigkeit, kriminelle Milieus und ein hoher Ausländeranteil. Soziale Behörden wie Polizei sprechen davon, dass hier parallele Strukturen bestehen, die unvereinbar sind mit den Normen der sie umgebenden Gesellschaft. Um dem ein Ende zu setzen, hat das dänische Parlament eine Reihe von Plänen beschlossen, die unter dem griffigen Namen »Ghettopaket« zusammengefasst wurden und die spätestens 2030 Früchte tragen sollen.

Zentral dabei sind groß angelegte Baupläne in den betroffenen Wohngebieten, die sowohl die Bausubstanz als auch die Bevölkerungszusammensetzung ändern sollen. Zumeist handelt es sich um Gebäude in Plattenbauweise, die teilweise auch in schlechtem baulichen Zustand sind, und deshalb abgerissen oder renoviert werden sollen. Die Renovierung soll mit dem Ziel erfolgen, dass Sozialwohnungen anschließend privatisiert werden. So sollen das »Verantwortungsgefühl« der neuen Besitzer gestärkt und sie zugleich angespornt werden, eine Arbeit zu finden, um die Kaufsumme finanzieren zu können. Ein Verkauf unter dem Marktpreis ist im Regierungsplan bereits einkalkuliert, um das Ziel zu erreichen. Knapp zwei Milliarden Euro sollen dafür zwischen 2020 und 2026 aufgewendet werden. Künftig sollen Sozialwohnungen zudem nicht mehr als 40 Prozent des Wohnungsbestands ausmachen.

Um die soziale Zusammensetzung der Bevölkerung zu ändern, wurden Maßnahmen beschlossen, die den weiteren Zuzug von Personen verbieten, die länger als sechs Monate öffentliche Hilfe erhalten haben. Die kommunalen Behörden haben in diesem Fall die Pflicht, solchen Bürgern Sozialwohnungen in einem anderen Wohngebiet zuzuweisen.

Außerdem wird Personen, die für organisierte Kriminalität verurteilt wurden, das Betreten ihres früheren Wohngebietes für mehrere Jahre verboten. Wie dies kontrolliert werden soll, ist unklar, aber im Übertretungsfall drohen neue Strafen. Darüber hinaus können künftig Familien, deren Verhalten als bedrohlich gegenüber ihren Nachbarn betrachtet wird, leichter aus ihren Wohnungen verwiesen werden.

Kindereinrichtungen wurden als weiterer Schwerpunkt des Maßnahmenpaketes verankert. Kindergärten in den genannten Wohngebieten sollen künftig höchstens 30 Prozent Ausländeranteil haben, und Kinder mit Migrationshintergrund sollen zielgerichtet sprachlich gefördert werden. Für fremdsprachige Kinder wird der Besuch von Kinderkrippe und Kindergarten ein »obligatorisches Angebot«. Dieser sprachliche Widerspruch rührt daher, dass es zwar weiterhin freiwillig ist, die Kinder in Institutionen zu schicken. Aber Familien, die das nicht tun, werden künftig kein Kindergeld mehr erhalten.

Für die meiste Aufregung dürfte indes das in der vergangenen Woche beschlossene Verhüllungsverbot gesorgt haben. Hier geht es nicht um Karnevalskostüme, sondern um Burka und Niqab, aber auch Balaklavas und künstliche Bärte, deren Tragen ab dem 1. August mit einer Geldstrafe von 135 Euro geahndet wird.

Die Wellen der polemischen Diskussion gingen sehr hoch, und die parlamentarische Zustimmung war lange unklar - aber letztlich setzten sich die Anhänger der Verbotes mit der Begründung durch, dass es in Dänemark üblich sei, einander in die Augen und ins Gesicht sehen zu können.

Auch wenn dieses Maßnahmenbündel vorzugsweise von den bürgerlichen Parteien sowie der rechten Dänischen Volkspartei vorangetrieben wurde, so werden die Beschlüsse wohl auch bei einem eventuellen Regierungswechsel Bestand haben. Denn auch die Sozialdemokraten und ein Teil der Volkssozialisten sind Mitunterstützer dieser neuen Gesetze.

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