Staatstragend

Ines Wallrodt über das Urteil des Verfassungsgerichts zum Beamtenstreikrecht

Üblicherweise sind die Grundrechte beim Bundesverfassungsgericht in guten Händen. Seine Richter haben schon oft die Verfassung gegen autoritäre Angriffe verteidigt und mit ihren Entscheidungen die Bundesrepublik moderner und liberaler gemacht. Beim Beamtenstreikrecht sind sie in dieser Hinsicht keine Hilfe, sie bestätigen mit dem Streikverbot vielmehr ein Relikt aus der Kaiserzeit.

Danach sind Staatsdienst und demokratische Rechte offenbar nicht vereinbar. »Rosinenpicken« wäre das, bemüht das Gericht sogar ein diffamierendes Bild der Streikgegner. Dabei geht es beim Streikrecht um ein nicht nur im Grundgesetz, sondern auch in der Europäischen Menschenrechtskonvention abgesichertes Menschenrecht, das doch nicht einfach gegen ein paar Beamtenprivilegien aufgerechnet werden kann.

Der Zweite Senat hat ein enttäuschend eindimensionales Urteil gesprochen, das über sämtliche Widersprüche der realen Welt hinweggeht. Kein Wort dazu, dass der Schulbetrieb in einigen Bundesländern weitgehend ohne Beamte auskommt. Stattdessen sorgen sich die Richter um die Aufspaltung der Beamtenschaft in einen Teil mit und einen ohne Streikrecht. Dieselbe Zweiteilung der Lehrerschaft stört sie hingegen nicht. Aber die Widersprüche bestehen fort. Zu Ende ist die politische und wohl auch juristische Auseinandersetzung deshalb nicht.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal