Der Kampf um den Wortwert

Das Europäische Parlament entscheidet heute über das Leistungsschutzrecht

  • Roland Mischke
  • Lesedauer: 3 Min.

Wenn alljährlich der Deutsche Fernsehpreis verliehen wird, werden Regisseure und Produzenten, Agenten und Sendeverantwortliche, Stars und Sternchen eingeladen. Nicht aber Drehbuchautoren, deren Ideen erst zu Textbüchern, dann zu Filmen geworden sind. Regisseur Leander Hausmann sagte jüngst, der Umgang mit den Autoren sei in Deutschland »weltweit einzigartig beschissen«.

Zum Vergleich: In Amerika sind Drehbuchautoren die erklärten Stars der Fernsehbranche, hauptsächlich bei den Serien. In Deutschland erscheinen ihre Namen nur im Abspann, sonst kennt sie niemand. Jenseits des Atlantiks werden die Autoren gefeiert, diesseits haben sie nach Abgabe der Langtexte ihre Pflicht erfüllt und werden vergessen. Deshalb gibt es jetzt den »Kontrakt 18«, den Aufstand der Autoren.

Eine ganze Reihe renommierter Drehbuchschreiber hat einen Protestbrief unterzeichnet. »Wir schreiben Filme«, heißt es darin. »Ohne unsere Geschichten gibt es weder Serien noch Kinofilme noch TV-Movies. Wir erschaffen die Figuren, die Plots, die Twists, die Dialoge. Unsere Bücher sind die Basis und das Herz eines jeden Films.« Ab 1. Juli wollen sie nur noch in Vertragsverhandlungen eintreten, wenn sie mehr Respekt erfahren. Und wenn sie mitreden können, damit die Filme noch besser werden.

Bereits am 20. Juni geht es in Brüssel um die Besserstellung von Journalisten und Autoren. Deren Texte werden massenhaft von Verlagen vor allem der Internetbranche genutzt, die mit fremden Federn für sich werben. Es ist im digitalen Zeitalter so weit gekommen, dass Wörter und Sätze aus dem Qualitätsjournalismus einfach übernommen, mit ein bisschen Werbung garniert und teilweise dauerhaft von Google, Facebook & Co. ohne Honorierung der Urheber eingesetzt werden. Hier wie da wehren sich Kreative. Warum konzentriert sich das Leistungsschutzrecht nicht auf jene, mit denen alles beginnt? Sie haben ihre Ideen eingebracht und müssen erleben, dass andere damit viel mehr Geld verdienen. An diesem Mittwoch entscheidet der Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments über die Reform des Urheberrechts.

Im Mittelpunkt steht - und am meisten umstritten ist - das geplante Leistungsschutzrecht für Presseverleger, die bisher nur wenige Möglichkeiten haben, sich gegen die Internetkonzerne zu wehren. Bereits 2016 hatte die Europäische Kommission eine Richtlinie für ein neues Verlegerrecht vorgegeben. Darin heißt es, dass Verlagsprodukte - ganze Artikel - nach der Veröffentlichung 20 Jahre lang geschützt bleiben sollen. Der damalige Digitalkommissar Günther Oettinger hatte das durchgebracht. Er wollte die Presseverlage besser absichern. Seine Gegner behaupteten hingegen, das geschehe auf Kosten der Informationsfreiheit der Bürger. In Wahrheit ginge es den Verlegern darum, mehr Geld scheffeln zu können.

In Brüssel tobt seit Wochen das Finale der Schlacht. Im Mai hatten sich die EU-Mitgliedsstaaten im Rat geeinigt, das neue Recht erst einmal nur für ein Schutzjahr einzusetzen. Die Verleger sollen in dieser Zeit mit den Service-Providern verhandeln. Am Ende solle ein einheitlicher Markt für das europäische Urheberrecht stehen. Andere wiederum drängen auf einen sofortigen Fünf-Jahres-Schutz.

Zu diskutieren wird sein, mit welchen zusätzlichen Einnahmen die Urheber der Texte, Autoren und Journalisten, »angemessen« beteiligt werden. Das wird der härteste Punkt: der Leistungsschutz soll die Schwächsten im Glied stärker unterstützen. »Die digitalen Monopole müssen endlich für die Nutzung journalistischer Inhalte zahlen«, erklärt Helga Trüpel Mitglied des Europaparlaments. Urheberrechtsverletzungen sollen stärker verfolgt, das Internet soll zu einem Ort der Fairness werden.

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