Türkei blockiert deutsche Wahlbeobachter

Ein LINKE-Politiker ist aus der Türkei abgeschoben worden, dem Bundestagsabgeordneten Andrej Hunko wurde die Einreise untersagt

  • Fabian Hillebrand
  • Lesedauer: 3 Min.

Der deutsche Staatsbürger Niklas Haupt wollte am 19. Juni nach Amed (Diyarbakir) reisen, um dort als Wahlbeobachter den Verlauf der am Sonntag stattfindenden türkischen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen zu begleiten. In der türkischen Stadt Izmir angekommen, wurde er am Flughafen von türkischen Sicherheitskräften festgehalten und stundenlang befragt. Am Ende des Verhörs wurde Haupt mitgeteilt, dass er zurück nach Deutschland abgeschoben wird.

Einem anderen Politiker der LINKEN, dem Bundestagsabgeordneten Andrej Hunko, wurde die Einreise ins Land untersagt. Der OSZE-Wahlbe-obachter Hunko sagte der Nachrichtenagentur dpa am Donnerstag, die türkische Regierung habe ihm mitgeteilt, dass ihm die Einreise nicht gestattet werde.

Hunko schreibt in einer Pressemitteilung, diese Nachricht habe ihn erst kurz vor dem Start seines Flugzeugs erreicht. »Ich bin sofort ausgestiegen.« Er fordert weiterhin, die Wahl beobachten zu dürfen. Er brauche aber eine Bestätigung dafür, dass er nicht an der Grenze abgewiesen werde. Dass seine Teilnahme noch durchgesetzt wird, halte er aber »für sehr unwahrscheinlich«.

Zur Wahlbeobachtung mobilisiert hat unter anderem die türkische Linkspartei HDP. Gelingt der pro-kurdischen Partei erneut der Sprung über die Zehn-Prozent-Hürde, könnte das Erdoğans AKP die absolute Mehrheit kosten. Das soll mit allen Mitteln verhindert werden. Die HDP glaubt, dass die Regierungspartei dabei auch vor einer Wahlmanipulation nicht zurückschrecken wird, und lädt deshalb internationale Beobachter ein, um gegen eine mögliche staatliche Einflussnahme auf die Wahlen vorzugehen - oder diese zumindest zu dokumentieren.

An einer solchen Delegation zur Wahlbeobachtung wollte auch Niklas Haupt teilnehmen. Er ist seit vielen Jahren in Deutschland politisch aktiv, kandidiert bei den bayerischen Landtagswahlen im Herbst für die Linkspartei und war in der Vergangenheit bereits mehrmals mit dem Verband der Studierenden aus Kurdistan (YXK) in der Türkei und Kurdistan.

Vielleicht war es Haupts politische Vita, die die Bundespolizei dazu veranlasste, den LINKE-Politiker bereits vor seinem Abflug aus München ausgiebig zu seiner Motivation zu befragen, über Izmir ins hauptsächlich von Kurden bewohnte Amed zu fliegen. Die deutschen Behörden ließen ihn die Reise aber antreten. In der türkischen Stadt Izmir wurde der Politiker dann von türkischen Zivilpolizisten aufgegriffen. Es folgte eine mehrstündige Befragung. Die türkischen Behörden verlangten von Haupt Angaben über den Zweck der Reise, zu bisherigen Türkei-Aufenthalten und seinem Verhältnis zu pro-kurdischen Organisationen wie der HDP. Auch Haupts linkspolitisches Engagement soll Teil der Befragung gewesen sein. Am Ende des Verhörs stand ein für Haupt ernüchterndes Ergebnis: Die Einreise wurde ihm »aus Gründen der öffentlichen Sicherheit« verweigert. Anschließend erfolgte seine Abschiebung nach Deutschland.

Politisch brisant an den Vorgängen ist neben der Einreiseverweigerung der türkischen Behörden - schließlich sind Wahlbeobachtungen ein durchaus geläufiger Vorgang, der regelmäßig auch bei europäischen Wahlen vollzogen wird - dass Haupt von einer Zusammenarbeit von türkischen und deutschen Sicherheitsbehörden ausgeht. Gegenüber »nd« sagte er: »Ob die deutsche Polizei etwas an ihre türkischen Kollegen übermittelt hat, kann ich zwar nicht belegen. Aber es ist schon komisch, dass ich erst in Deutschland einer intensiven Kontrolle unterzogen werde und anschließend direkt nach der Landung in Izmir von der türkischen Polizei in Empfang genommen werde.« Einschüchtern lassen will Haupt sich von den türkischen Behörden aber nicht. Er hoffe nun »umso mehr« auf »ein gutes Ergebnis der HDP und ein baldiges Ende des Erdoğan-Regimes«. Das Einreiseverbot von Hunko und seine eigene Abschiebung stehen für Haupt »sinnbildlich für den antidemokratischen Zustand der Türkei.« Es zeige aber auch, dass die türkische Regierung »nervös« ist und sich eventuell »ein Ende des Erdoğans-Regimes abzeichnet«.

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