Neuer Anlauf für Einheitsdenkmal
Leipziger Pläne zum Gedenken an Herbst 1989 nach vier Jahren »Atempause« wiederbelebt
Wer ein Haus bauen will, tut gut daran, einen Gutachter prüfen zu lassen, ob der Untergrund den Bau auch trägt. Wer ein Denkmal errichten lassen will, ist nicht schlecht beraten zu fragen, ob es dafür überhaupt Bedarf gibt. Das gilt besonders für einen Erinnerungsort wie das »Freiheits- und Einheitsdenkmal«, das laut einem Beschuss des Bundestages von 2007 in Leipzig entstehen sollte, dort zuletzt aber auf »gefühlte Ablehnung« gestoßen war, wie es Michael Kölsch von der Stiftung Friedliche Revolution formuliert.
Die Stiftung hat deshalb eine Umfrage veranlasst und legt nun Zahlen vor, die überraschend deutlich sind. Drei Viertel der Leipziger und knapp zwei Drittel der Bürger bundesweit hielten es für gut, das eher abstrakte Thema »Freiheit, Einheit, Demokratie« in einem Denkmal zu würdigen. Dass Leipzig ein guter Ort dafür sei, sagen vier von fünf Einwohnern der Stadt und drei Viertel der Ostdeutschen. Die Stiftung sieht die Ergebnisse als »Ermutigung« für einen erneuten Anlauf, das Denkmal doch noch zu bauen, nachdem der plan im Sommer 2014 zunächst beerdigt worden war. Man habe jetzt »ein gutes Gefühl«, das Anliegen zu verfolgen. Ursprünglich hatte die Stiftung dieser Tage bereits einen Vorschlag zum weiteren Verfahren auf dem Weg zum Denkmal vorlegen wollen. Dieser wurde aber erst sehr kurzfristig dem Begleitgremium im Leipziger Stadtrat vorgelegt, das noch »Anregungen und Fragen« hatte, sagt Kölsch. Die wolle man beantworten und den Vorschlag nach der Sommerpause vorlegen.
Dann werden vier Jahre vergangen sein, seit der Stadtrat beschloss, das erste Wettbewerbsverfahren für ein Denkmal zu beenden. Es war von erbittertem öffentlichen Streit in der Stadt und von juristischen Kontroversen zwischen Beteiligten geprägt gewesen war. Eine Jury hatte damals zunächst einen Entwurf zum Sieger gekürt, der vorsah, 70 000 bunte Würfel auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz zu installieren - in Anspielung auf die Zahl der Montagsdemonstranten. In der Stadt stieß der Vorschlag auf Ablehnung. Deshalb gab man später dem zunächst drittplatzierten Entwurf den Vorzug. Er hieß »Herbstgarten« und sah vor, die Parole »Keine Gewalt« mit großen Buchstaben in einem Park aus Apfelbäumen zu installieren, wobei die Worte nur aus der Luft zu lesen gewesen wären.
Leipzig ist nicht die einzige Stadt, in der ein Einheitsdenkmal spaltete. In Berlin wurden entsprechende Pläne im April 2016 gekippt. Dort hatte eine gigantische begehbare »Bürgerwippe« gebaut werden sollen, die von der Choreografin Sasha Waltz konzipiert worden war. Nachdem die Kosten von zehn auf 15 Millionen Euro zu steigen drohten, zog der Haushaltsausschuss im Bundestag die Notbremse. In Leipzig war von 6,5 Millionen Euro die Rede gewesen, von denen fünf Millionen vom Bund und der Rest aus dem Etat des Freistaats Sachsen hätten kommen sollen. Das Verfahren für einen erneuten Anlauf in Leipzig liegt in den Händen von Protagonisten des Herbstes 1989, etwa aus dem Bürgerarchiv, der Stasi-Unterlagenbehörde, dem Museum »Runde Ecke« und der Stiftung Friedliche Revolution. Sie dürften für das weitere Verfahren vor allem eine wesentlich breitere Beteiligung der Bürger vorschlagen, wie Kölsch auf Anfrage andeutet. Es gehe um »Partizipationsverfahren«, in denen sowohl über den Standort des Denkmals als auch über dessen Botschaft und konkrete Schritte der Umsetzung beraten werde - etwa, ob es einen offenen Wettbewerb geben soll oder Künstler eingeladen werden. Dazu werde es Mitsprachemöglichkeiten auf einer Internetseite, Bürgerforen und Podiumsdiskussionen geben. Auch einen Bürgerentscheid, wie ihn die LINKE immer wieder gefordert hatte, will Kölsch nicht ausschließen, »wenn sich dafür eine Mehrheit findet«.
Wann das Denkmal stehen könnte, hänge davon ab, wie viel Zeit die Debatte benötige, sagt Kölsch. »Wir verfolgen da keinen Plan.« Einst war der 25. Jahrestag des Herbstes 1989 anvisiert worden. Inzwischen sind es auch bis zum 30. Jahrestag nur noch 16 Monate.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.