Ariel Ruiz Urquiola ist wieder frei

Kubanischer Biologe nach Hungerstreik aus Haft entlassen

  • Andreas Knobloch, Havanna
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Fall Ariel Ruiz Urquiola hatte in den vergangenen Wochen zunehmend internationale Aufmerksamkeit erfahren: amnesty international, die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte (UNHCR) sowie Kubas Katholische Kirche interessierten sich für den Fall und forderten eine Überprüfung des Urteils. In einem offenen Brief verlangten mehr als 160 Unterstützerinnen die Freilassung von Ruiz Urquiola.

Die Freilassung erfolgte nun außerstrafrechtlich (licencia extrapenal) - wegen Gesundheitsproblemen. Er leide unter einem »affektiven depressiven Angstsyndrom« heißt es in einem Dokument, das die Behörden der Familie übergaben.

Am vergangenen Montag war Ruiz Urquiola in den zivilen Bereich des Krankenhauses »Abel Santamaría« in Pinar del Río verlegt worden. Seine Angehörigen befürchten, dass die außerstrafrechtliche Freilassung es den Behörden ermöglichen wird, ihn ins Gefängnis zurückzuschicken, da das Urteil nicht aufgehoben wurde.

Der 43-Jährige war am 8. Mai 2018 wegen »Nichtachtung der Autoritäten« vom Amtsgericht in Viñales in der Provinz Pinar del Rio zu einem Jahr im Gefängnis verurteilt worden. Verhaftung und Anklage waren erfolgt, nachdem Ruiz Uquiola Beamte des Gebietes angeblich »Landwehr« (guardia rural) genannt hatte. Laut seiner Schwester Omara Ruiz Urquiola hatten mehrere Mitglieder der Wildhüter, die dem Innenministerium unterstellt sind, den Biologen auf seiner Farm (»Die Hölle«) aufgesucht, um von ihm die Erlaubnis zu sehen, einen Zaun zu setzen und einige Palmen schneiden, sowie die Besitztitel für seine Kettensägen. Den Angaben der Schwester zufolge hatte der Biologe alle Genehmigungen.

Auf dem Weg ins Haus, wo Ruiz Urquiola alle Unterlagen aufbewahrte, gab es ein Gespräch, in dem der Biologe mutmaßlich den Ausdruck »Landwehr« benutzte. Die »guardias rurales« waren während der Unabhängigkeitskriege gegen die spanische Kolonialherrschaft von den US-Interventionsstreitkräften aufgestellte bewaffnete Kräfte, die den Interessen der Großgrundbesitzer dienten und wegen Übergriffen gegen die Landbevölkerung einen schlechten Ruf hatten. Der Angeklagte verteidigte sich damit, dass seine Worte falsch interpretiert worden seien.

Ruiz Urquiolas Familie glaubt, dass der Vorwurf der »Beamtenbeleidigung« nur vorgeschoben ist und die Behörden den Quälgeist als Vergeltung für seinen Umweltaktivismus eingesperrt haben und um ihm das staatliche Land wieder wegzunehmen, das er 2016 nach einjährigem Genehmigungsverfahren erhalten hatte und auf dem er sein Projekt einer Ökofarm umsetzt.

Ruiz Urquiola hat in der Vergangenheit an mehreren Forschungsprojekten zur kubanischen Biodiversität teilgenommen. Er leitete auch eine internationale Forschung zwischen der Universität Havanna, dem Naturhistorischen Museum Berlin und der Humboldt-Universität über die Entstehung und Besiedlung der Sierra de los Órganos in Pinar del Río. Gleichzeitig hat er wiederholt Schäden am kubanischen Ökosystem, das ungestrafte Abholzen von Bäumen, die Jagd auf gefährdete Arten und die Ableitung von giftigen Substanzen in die Gewässer des Viñales-Tals angeprangert. Zudem gab es immer wieder Probleme mit Nachbarn, deren freilaufenden Tiere auf Ruiz Urquiolas Finca grasten und das Saatgut beschädigten.

Am 12. Juni erklärte Amnesty International den Biologen zum »politischen Gefangenen« und forderte seine »sofortige und bedingungslose« Freilassung. Auch die US-Regierung drängte auf die sofortige Freilassung Urquiolas. Am 16. Juni trat dieser aus Protest dann in einen Hungerstreik. Nach einem Besuch bei Ruiz Urquiola sprach sich der Bischof von Pinar del Rio, Jorge Enrique Serpa Pérez, für »eine Überprüfung des Falles und des Prozesses« aus, verneinte aber, dass sich der Hungerstreikende in Lebensgefahr befinde. Ob nach der Freilassung auch das Urteil gegen Ruiz Urquiola aufgehoben wird, steht noch nicht fest.

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