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Es gewittert heftig bei Jamaika

Kieler Regierungskoalition streitet über Wohnungsfrage

  • Dieter Hanisch
  • Lesedauer: 3 Min.

Allzu oft kommt es nicht vor, dass Koalitionäre sich in einer Parlamentsdebatte untereinander widersprechen oder gar attackieren - wie am Donnerstag im von einem Jamaika-Bündnis regierten Schleswig-Holstein geschehen. In einer emotionalen Landtagsdiskussion zum Thema »Aufnahme des Rechts auf bezahlbaren Wohnraum in die Landesverfassung« wurde der Dissens zwischen FDP und Grünen unübersehbar.

Seit Februar gibt es im Land eine Volksinitiative für das Recht auf bezahlbaren Wohnraum, die vornehmlich von Sozialverbänden und dem Mieterverein vorangetrieben wird. Mittlerweile sind bereits 16 000 Unterschriften eingegangen. Siebeneinhalb Monate bleiben noch Zeit, insgesamt 20 000 gültige Signaturen für das Anliegen zusammenzutragen. Ist diese Anforderung erreicht, muss sich der Landtag in Kiel zwingend mit dem Thema beschäftigen. Dies tat er nun aber bereits in dieser Woche, und zwar Antrag der oppositionellen SPD-Fraktion und der AfD. Letztere wollte damit ihr angeblich vorhandenes sozialpolitisches Profil untermauern. Die SPD verlangte die Aufnahme des Rechts auf sozialverträgliche Mieten die Landesverfassung, wie es bereits in Bremen, Berlin oder Bayern passiert ist.

Der Mieterbund zeichnet ein düsteres Bild auf dem Wohnungsmarkt und fordert den Bau von jährlich 8000 geförderten Wohnungen. Von ursprünglich einmal 220 000 Sozialwohnungen seien gerade einmal 47 500 übrig geblieben. Der Innenminister Hans-Joachim Grote (CDU) hält dem eine Wohnungsbauoffensive entgegen, kommt aber jährlich auf gerade einmal 3500 geförderte neue Wohnungen. Die CDU-Fraktion sieht einen Hebel in der Veränderung der Landesbauordnung, um in Ballungsräumen mehr Spielräume für eine bauliche Verdichtung zu bekommen.

Die SPD, die an der Regierung beteiligten Grünen und die außerparlamentarische LINKE unterstützen die Volksinitiative. Handlungsbedarf für eine Ergänzung der Verfassung sieht man in der grünen Fraktion dennoch nicht. Andreas Tietze, der wohnungspolitische Sprecher, gab die seltsame Erklärung, er wolle nicht vorweg nehmen, was von einer engagierten Initiative angeschoben werde.

Der Koalitionsfrieden wird bei diesem Thema insbesondere durch die FDP in Frage gestellt, die die Entwicklung in der Wohnungsfrage komplett dem Markt überlassen möchte. Fraktionschef Christopher Vogt sprach von einem funktionierenden Markt, schob aber die Einschränkung hinterher, dass das derzeit benötigte Wohnungsangebot nicht schnell genug bereitgestellt werden könne. Sein Fraktionskollege Jan Marcus Rossa sprach von einer Überdramatisierung des Themas. Mit der Verankerung des Wohnrechts in der Verfassung werde man keinem Wohnungs- und Obdachlosen gerecht.

Nach dieser Äußerung platzte dem grünen Abgeordneten Lasse Petersdorfer der Kragen: In Kiel müsse man als Wohnungssuchender rund 50 Besichtigungstermine in Kauf nehmen und hätte danach häufig noch immer keinen Erfolg. Auch Martin Habersaat (SPD) korrigierte die Freidemokraten: »Der Markt richtet es nicht.« Es sei diesem vielmehr ganz egal, ob Menschen wohnen und zu welchen Bedingungen sie dies tun.

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