Reif auf der Insel

Rheinland-Pfalz: Trauben für 5000 bis 6000 Flaschen Wein reifen derzeit auf Heyles’en Werth - mitten im Fluss

  • Jens Albes, Bacharach
  • Lesedauer: 4 Min.

Vorsichtig bugsiert Winzer Friedrich Bastian am Rheinufer einen kleinen Traktor rückwärts auf seine winzige Fähre. Leinen los - los geht es zu seiner unbewohnten Insel Heyles’en Werth beim rheinland-pfälzischen Bacharach. Am Inselufer angekommen, tuckert Bastian durch ein Auenwäldchen zu seinen Rebzeilen. 28 größere Rheininseln gehören zu Rheinland-Pfalz und sechs weitere zu Hessen. Aber Weinbau auf einem Eiland - das lässt sich bundesweit wohl an einer Hand abzählen.

Heyles’en Werth im Herzen des Welterbes Oberes Mittelrheintal ist 800 Meter lang, 150 Meter breit und außen mit einem Kranz von Pappeln und Weiden bewachsen. Sie schützen den Wein, der auf einer gewöhnlich hochwasserfreien Eineinhalb-Hektar-Fläche wächst, vor Wind und die Insel vor Abtragung. Die Baumwurzeln halten mehrere Meter Flusssand fest, der sich auf dem Schiefer des Eilands abgelagert hat.

»Eine Insel zu haben ist für mich selbstverständlich«, sagt Bastian und prüft die Blattentwicklung seiner Reben. »Ich bin damit aufgewachsen. Als Kind war das ein Abenteuerspielplatz. Dann haben wir hier die beliebtesten Geburtstagspartys gefeiert.« Bastian steht in einer jahrhundertelangen Familientradition von Winzern. 1815 kam das Heyles’en Werth als Mitgift in die Familie.

Bastian baut hier ausschließlich Riesling an. Die Rheininseln haben ein ganz spezielles Mikroklima. Der Fluss speichert Wärme, die er an kalten und vor allem frostigen Nächten abgibt - gut für den Weinbau. »Eiswein werden wir nicht haben«, sagt Bastian. Die Feuchtigkeit mache Inselreben allerdings anfällig für Pilze und Schädlinge. Einen höheren Aufwand mit Pflanzenschutzmitteln habe er zwar nicht. »Aber ich muss alles mehr beobachten, um rasch eingreifen zu können.« Bastian baut auch auf dem Festland Wein an, insgesamt bewirtschaftet er neun Hektar. Zwei Mitarbeiter hat er. Zum Umsatz will er nichts sagen - nur so viel: »Auf der Insel sind es pro Jahr 5000 bis 6000 Flaschen Wein.« Und wie viel kostet die Verbraucher eine Flasche? »15 bis 22,50 Euro«, sagt Bastian, der Mitglied im Verband Deutscher Prädikatsweingüter (VDP) ist. Inselwein ist rar - gut fürs Marketing. »Da haben wir ein Alleinstellungsmerkmal, das uns zugefallen ist.«

Größer als Heyles’en Werth ist die Mariannenaue bei Eltville mit vier Kilometern Länge, einer Breite von 100 bis 300 Metern und 23 Hektar Weinbaufläche. Die Insel gehört zum benachbarten Weingut Schloss Reinhartshausen und ist seit 2013 im Besitz der Pfälzer Winzerfamilie Lergenmüller. Die Mariannenaue ist einst ein Kalkriff im urzeitlichen Meer gewesen. Dann hat der Rhein Kies und Steine angeschwemmt. Wie das Heyles’en Werth ist die Insel ein Naturparadies: Schwarzmilane, Eisvögel, Nachtigalle, Baumfalken und Wespenbussarde brüten hier laut Stefan Lergenmüller. Bisweilen schwimmen Wildschweine vom Ufer hinüber.

Auf der Weinfläche der Mariannenaue wachsen nach Lergenmüllers Worten vor allem Weißburgunder, Sauvignon blanc und Chardonnay, aber auch uralte Rebsorten wie Adelfränkisch, Roter Riesling und Weißer Traminer. Die Inselweine kosten 9,80 bis 102 Euro. Fünf Mitarbeiter kümmern sich um ihren Anbau. Alleine mit den Inselweinen erzielt das Weingut Schloss Reinhartshausen laut Lergenmüller einen Jahresumsatz von rund zwei Millionen Euro.

Die Weinkontrolleurin Daniela Roy hat während ihres Studiums in dem Gutshof auf der Mariannenaue, der nun saniert wird, gewohnt. Abends alleine auf der Insel - »das ist sehr romantisch gewesen«, sagt Roy. Sie denke gerne daran zurück, auch wenn die unzähligen Fahrten mit dem Boot »Preußens Gloria« zum Rheinufer umständlich gewesen seien.

Bastians Insel bei Bacharach hat der Filmemacher Wim Wenders in seinem Streifen »Im Lauf der Zeit« von 1976 verewigt. Fast zehn Jahre lang hat Bastian, der studierter Opernsänger ist, mit seiner Minifähre auch ein Klavier auf das Heyles’en Werth transportiert - für musikalische Weinproben. Bis ihm 2017 die Behörden den Bootstransport der Gäste zu gewerblichen Zwecken verboten hätten. »Wir machen diese Veranstaltungen jetzt in unserer Vinothek in Bacharach. Aber da kommt nur noch ein Drittel der Gäste«, bedauert Bastian. Eine Insel sei eben noch interessanter. dpa/nd

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