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  • Protest gegen Heß-Gedenken

Stadtgesellschaft gegen Rechts

Neonazis wollen wieder zum Todestag von Rudolf Heß durch Spandau marschieren

  • Philip Blees
  • Lesedauer: 4 Min.

Am 18. August wollen Neonazis erneut durch Spandau marschieren, um Rudolf Heß zu gedenken. Unter dem Deckmantel der Aufklärung des Todes des Hitler-Stellvertreters versammelten sie sich bereits im vergangenen Jahr in dem Bezirk, um zum ehemaligen Gelände des Kriegsverbrechergefängnisses zu laufen. Heß beging dort am 17. August 1987 Suizid. Die Geschichtsrevisionisten behaupten, er sei ermordet worden. Unter dem zynischen Motto »Recht statt Rache« wollen sie den Nationalsozialismus verherrlichende Inhalte auf die Straße bringen.

2017 konnte das zum Teil verhindert werden - durch Auflagen von Versammlungsbehörden und Protest und Blockaden von Antifaschisten. Die wollen auch dieses Jahr wieder gegen den Geschichtsrevisionismus auf die Straße gehen.

»Wir sind sehr optimistisch, dass wir den Nazis in Spandau die Straße nicht überlassen werden«, sagt Uwe Bröckl dem »nd«. Er ist Mitglied beim Spandauer Bündnis gegen Rechts und organisiert die diesjährige Gegendemonstration mit. Der Plan ist, so viele Menschen auf die Straße zu bringen, dass die Heß-Verehrer ihre Route nicht gehen können. Bröckl erwartet rund 6000 Antifaschisten.

Im vergangenen Jahr hatten die Neonazis die attraktive Route über die großen Hauptverkehrswege Klosterstraße und Wilhelmsstraße angemeldet. Die Versammlungsbehörde hatte die Route bis zuletzt nicht beanstandet. Weit kamen sie nicht: Nach 200 Metern hinderten sie die Blockaden am Weitergehen.

Das Bündnis hat nun frühzeitig reagiert: Einen Tag nach dem Aufmarsch meldete es eine Demonstration genau über diese Straßen an. Nun können also die Antifaschisten auf direktem Weg zum Gelände des heutigen Supermarktes laufen, auf dem früher das Kriegsverbrechergefängnis stand. Das schränkt die Möglichkeiten der Neonazis ein. Die haben ihren Marsch für 12 Uhr angemeldet.

Schon um elf Uhr wollen die Gegendemonstranten vor Ort sein. Zuvor soll es am Rathaus in Spandau eine Kundgebung des zivilgesellschaftlichen »Bündnis für ein weltoffenes und tolerantes Berlin« geben, welches von Gewerkschaften, kirchlichen sowie jüdischen und muslimischen Verbänden getragen wird. Anschließend wollen sie gemeinsam zum »Bürgerfest der Demokratie« direkt am ehemaligen Gefängnis gehen.

Es gibt also eine Vielzahl an Akteuren, die an dem Samstagmittag gegen die Neonazis auf der Straße sein wollen. Tatjana Strauß vom Berliner Bündnis gegen Rechts spricht von einem »Mosaik an Gegenprotesten«. Sie freut sich über die große Anzahl an Demonstrationen und Kundgebungen, glaubt aber, dass es bei dem Heß-Marsch eine ähnlich große Anzahl an Teilnehmern geben wird wie im vergangenen Jahr. Damals kamen rund 1200 Neonazis nach Spandau, während außerdem ungefähr 250 von ihnen in Falkensee demonstrierten, da ihr Zug technische Probleme hatte und sie es nicht bis zum Ziel schafften. Das Bündnis befürchtet eine Etablierung des Aufmarsches: »Das wollen wir verhindern!«

Ähnlich sieht das Simon Brost von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (MBR). Er beobachtet auch in diesem Jahr, dass relevante Strukturen der Szene und Einzelpersonen nach Spandau mobilisieren. »Es ist ein gesetzter Termin«, sagte Brost dem »nd«. Aus dem gesamten Bundesgebiet sollen Busse nach Berlin fahren, beispielsweise aus dem Rheinland, Norddeutschland und Sachsen. Der Mythos um den Tod um Heß habe im vergangenen Jahr auch Neonazis aus anderen europäischen Ländern angelockt. Ein paar werden auch jetzt wieder erwartet. Insgesamt sei die Mobilisierung allerdings nicht so intensiv wie 2017.

Im Vordergrund wird Brost zufolge weiter der Verschwörungsmythos um den Tod von Heß stehen. Ob auch andere Themen, wie die kürzliche Inhaftierung der Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck, zur Sprache kommen, kann Brost noch nicht sagen.

Insgesamt passt der Aufmarsch zu der aktuellen Rückbesinnung auf die sogenannten Identitätsmomente in der deutschen Neonazi-Szene, meint Brost. Diese zeige sich in der großen Beteiligung an sogenannten Rechtsrock-Konzerten und identitätsstiftenden Aufmärschen, bei denen der Nationalsozialismus verherrlicht wird.

Diese Momente müssten den Neonazis strittig gemacht werden: »Starke Gegenproteste sind ein effektives Mittel, den Rechtsextremen die Möglichkeiten zu nehmen, sich zu inszenieren.« Deshalb seien die vielfältigen Aktionen an dem Tag ein guter Weg. »Das ist ein erfreuliches Zeichen der Stadtgesellschaft«, so Brost.

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Einige sehen bei diesen Aktionen allerdings noch Lücken. Das antifaschistische Bündnis »NS-Verherrlichung stoppen!« ruft zu dezentralen Aktionen am Tag des Aufmarsches auf. »Wir sind solidarisch mit jeder Aktionsform«, sagt der Sprecher des Bündnisses, der dem »nd« keinen Namen nennen möchte. Seine Vorstellung: »Die Leute sollen auf die Route.« Die Neonazis hätten in seinen Augen 2017 schon früher gestoppt werden können. Dieses Mal müsse das gelingen.

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