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Der Mustermigrant
MeTwo-Hashtaggründer Ali Can mischt sich nicht zum ersten Mal in die Politik ein
Als mitten im sogenannten Sommerloch die Debatte um ein »hässliches Foto« (so nannte es die Kabarettistin İdil Baydar) des Fußballstars Mesut Özil aufflammte - und von Politikern sowie Sportfunktionären unversehens zu einer »Integrationsdebatte« gemacht wurde, wie eben alles in Deutschland, was entfernt mit Einwanderern zu tun hat - war klar: Ein Twitter-Hashtag muss her.
Aufgegriffen wurde schließlich der Vorschlag des 24-jährigen Gießeners Ali Can (2380 Follower). Er rief dazu auf, unter metwo - also »ich zwei« - über Rassismuserfahrungen zu berichten. Zehntausende kamen in kurzer Zeit dieser Aufforderung nach. Bald wolle er in »Phase 2« übergehen, teilte Can Ende vergangener Woche mit (auf Twitter, wo sonst). Er werde eine Folgeaktion präsentieren - mit nicht weniger als dem Ziel einer rassismusfreien Gesellschaft.
Es ist nicht das erste Mal, dass Can sich einmischt. Bekannt wurde der Lehramtsstudent, der 1993 in Pazarcık in der Türkei in eine kurdisch-türkisch alevitische Familie hineingeboren wurde und 1995 als Flüchtling nach Deutschland kam, als er 2016 die »Hotline für besorgte Bürger« und den Verein »Interkultureller Frieden« gründete. Sein Ansatz: »Jede Meinung verdient ein offenes Ohr.« Das ist ganz und gar ironiefrei gedacht, Can meint es ernst - er möchte AfD-Wähler und Pegida-Anhänger nicht davon überzeugen, dass ihre Meinung falsch sei. Er will reden. Darüber veröffentlichte Can, der sich »Migrant des Vertrauens« nennt, ein Buch.
In den vergangenen Tagen wiederholte er seine Haltung mehrfach: Die Debatten müssten »versöhnlicher, lösungsorientierter und konstruktiver werden«, sagte er beispielsweise dem Jugendportal der »Süddeutschen Zeitung«. Längst nicht alle, die unter dem von ihm initiierten Hashtag über rassistische Zustände twittern, teilen dies. Viele haben es satt, mustermigrantenmäßig für alles doppelt so hart zu schuften - und doch immerzu das »Deutschsein« abgesprochen zu bekommen. Auch Can kritisiert, dass man als Einwanderer oft nur solange Deutscher ist, wie man keine Fehler macht. Dennoch meint er: »Integration ist ein Muss für zugewanderte Menschen«.
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