Frau mit bandagiertem Kopf

Der Film »Aus nächster Distanz« will ein Thriller sein, ist es aber nicht

  • Thomas Blum
  • Lesedauer: 3 Min.

Die libanesische Mossad-Informantin Mona ist in Gefahr. Weil sie Libanesin ist und als Mossad-Informantin enttarnt worden ist. Also muss sie so rasch als möglich an einem möglichst fernen Ort gut versteckt und bewacht werden, zum Beispiel in Hamburg (eine Ortswahl, die immerhin sicherstellt, dass die Kosten für die Produktion des Low-Budget-Films nicht in astronomische Höhen steigen). In der temporär von ihr bewohnten großbürgerlichen Hamburger Altbauwohnung beschützt wird Mona von der Mossad-Agentin Naomi, die darauf achtgeben soll, dass Mona hübsch fein in der konspirativen Wohnung bleibt und nicht von Hisbollah-Schergen oder anderen Terroristen aufgespürt wird.

Jetzt könnte eigentlich so etwas wie ein ausgefeilter Thriller beginnen, doch was der Zuschauer stattdessen bekommt, ist ein zeitweise quälend langatmiges Kammerspiel, in dem zwei Frauen einander mit starrem Blick umschleichen, sich einander annähern und Szene für Szene anlasslos Fertigdialoge aufsagen, in denen es andauernd um die hochwichtigen Themen Erinnerung, Tod, Verlust, Liebe, Männer, Schwangerschaft und Familie geht.

Mona hat obendrein eine Gesichtsoperation hinter sich und muss deshalb während drei Vierteln des Films mit bandagiertem Kopf in Fauteuils herumsitzen oder -liegen und so ausstaffiert durch die Wohnung laufen. Aus Gründen, die nur die für die Kostüme Verantwortlichen und der Regisseur kennen, trägt Mona in der Wohnung fortwährend ein rotes Kleid oder einen roten Seidenkimono statt Jogginghose und Sweatshirt.

In der Wohnung, in der auch manchmal überraschend das Telefon klingelt, obwohl es das überhaupt nicht sollte, ist alles ein wenig unheimlich und sonderbar, auch wenn man nicht genau weiß, warum es unheimlich ist. Und auch der Nachbar auf dem Balkon des Hauses gegenüber, der permanent herüberzustarren scheint, der beängstigend arabisch aussehende Kioskbetreiber und der Hausmeister sind einigermaßen verdächtige Zeitgenossen, auch wenn man nicht genau weiß, warum sie verdächtig sind.

Hmm. Schwierig. Langweilig aber vor allem. Wie der Film insgesamt etwas Bleischweres an sich hat.

Das Schlimmste aber sind diese Sätze, die man den Figuren in den Mund gelegt hat und die häufig klingen, als habe man einen nicht geringen Teil der Dialoge aus solchen Kalendersprüchen zusammenmontiert, die vom Kalenderhersteller als zu platt verworfen wurden: »Gott spielt Poker mit uns. Das Dumme ist, dass wir immer verlieren.« - »Erinnerungen kann man nicht anfassen.« - »Ich erkenne Menschen an ihren Augen, Augen lügen nicht.« - »Du solltest deinem Herzen folgen.« - »Ich weiß, sie ist irgendwo da draußen, ich spüre es.«

Als reichte das noch nicht, um selbst den gutwilligsten Zuschauer zu vergraulen, ist »Aus nächster Distanz« auch ein zäh ablaufender Film, bei dem die Kameraarbeit nahezu statisch scheint: Die beiden Frauen werden überwiegend dabei abgefilmt, wie sie in der Wohnung herumsitzen, -stehen oder -gehen, das war’s dann auch schon.

»Aus nächster Distanz«, Deutschland/ Frankreich 2017. Regie/Buch: Eran Riklis; Darsteller: Golshifteh Farahani, Neta Riskin. 93 Min.

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