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Oh, Freedom, Yeah, Freedom!
Aretha Franklin, die beeindruckendste Soulsängerin der Welt, focht auf ihre Art für die Gleichberechtigung der Menschen
Ihre Gesangsausbildung war kostenlos, denn sie fand in der Kirche statt, genauer: im Gospelchor, zwischen einem sehr populären fuchtelnden Prediger, der ihr Vater war, und den anderen Kindern. Auch ihre Mutter war Gospelsängerin. Aretha Franklin, geboren 1942 in Memphis - im selben für die Geschichte der Popmusik so bedeutenden Ort wie Elvis Presley und nur wenige Jahre nach ihm -, war nicht die einzige im 20. Jahrhundert geborene schwarze US-amerikanische Sängerin, bei der das so war. Vor ihrer in den frühen 60er Jahren begonnenen und in den späten 60ern dann schwer in Fahrt gekommenen Karriere als Soulsängerin war Franklin eine Art Kinderstar der Gospelmusik, jener Gott lobpreisenden Gesänge, die ihren Ursprung im Blues und der Hoffnungsmusik der Sklaven haben und die bis heute in den afroamerikanischen Kirchengemeinden gepflegt werden.
Im Jahr 1970 wird Aretha Franklin einmal in einer Talkshow, während ihr Vater neben ihr sitzt, vom Moderator gefragt: »Wie singen Sie?« »Religiös«, antwortet sie. »Welche Art von Gospel singen Sie?«, bohrt der Talkmaster weiter. Darauf Franklin: »Den Gospel meines Vaters.« Der Moderator fragt: »Welchen Vater meinen Sie?« Woraufhin die Sängerin ohne jede Ironie antwortet: »Beide Väter.«
Ohne die Religion also und ohne jenen göttlichen Funken, von dem sie meinte, beseelt zu sein, wäre aus Aretha Franklin, dem im Kirchenchor singenden, von ihrem Vater übermäßig streng und repressiv erzogenen introvertierten zehnjährigen Mädchen, das sein Leben lang unter Essstörungen leiden sollte, nicht die »Queen of Soul« geworden, deren gewaltige Stimme den ganzen akustischen Raum zwischen sinnlichem Wispern und ekstatischem Urschrei zu füllen in der Lage war.
Zur Kirchengemeinde ihres Vaters, der auch mit Martin Luther King befreundet war, zählten seinerzeit unter anderem auch Mahalia Jackson, die Blues- und Jazzsängerin Dinah Washington und der Gospel- und Soulsänger Sam Cooke.
Als Aretha Franklin sechs Jahre alt war, verließ die Mutter die Familie. Mit acht Jahren erhielt Aretha Klavierunterricht, den sie nicht immer freiwillig absolvierte. Im Alter von zwölf Jahren sang sie erste Solos im Gospelchor, die die Aufmerksamkeit der Zuhörenden erregten. Im Alter von 14 Jahren hatte sie den Schulbesuch eingestellt und begleitete stattdessen ihren Vater, der zu jener Zeit einer der populärsten schwarzen Geistlichen war, der es gerne in jeder Hinsicht krachen ließ und der seine Predigten auch auf Platten überaus erfolgreich verkaufte, auf dessen weitläufigen Tourneen durch die USA. Mit 15 hatte sie ihr erstes Kind bekommen, mit 17 ihr zweites. Beide ließ sie bei der Großmutter. Mit 18 ging sie nach New York, wo sie Schauspielunterricht nehmen sollte.
Von da an begann ihre wechselhafte Gesangskarriere: Zwar erkannte man bei Columbia Records schnell, dass man eine der voluminösesten Stimmen bzw. »die beste Stimme«, die man »seit Billie Holiday gehört« habe, eingekauft hatte, doch ließ man die Soulsängerin in der ersten Hälfte der 60er Jahre - die rassistische Diskriminierung von Schwarzen war in den USA noch Alltag - überwiegend mal mehr, mal weniger schnulzige Popsongs und Balladen für den weißen Markt interpretieren. Dennoch hatten ihre Platten Erfolg. Der Musikkritiker und Blues- und Soul-Experte Peter Guralnick schrieb in seinem Buch »Sweet Soul Music«, dass Arethas »Stimme und ihre besondere Phrasierung selbst die abgedroschensten Gefühle und Themen in etwas Großes verwandeln konnten«.
Doch erst als die Sängerin 1966 zur Plattenfirma Atlantic wechselte, wo man ihr größere Freiheiten ließ und nicht mehr versuchte, ihr detailliert vorzuschreiben, wie sie mit ihrer charismatischen Stimme umzugehen habe, begann die Phase des großen Erfolgs.
»All I’m askin’ / Is for a little respect«, so forderte in dem Song »Respect« (1967) von Otis Redding der Ehemann von seiner Frau deren Fügsamkeit ein. Doch in Aretha Franklins Interpretation des Liedes aus demselben Jahr entwickelte das Lied sich zur gesungenen Botschaft der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung an die Regierung, die aufgefordert wurde, die Diskriminierung großer Teile der Bevölkerung zu beenden und die Gesellschaft zu modernisieren.
In ihrem Lied »Think« sang Aretha Franklin, selbst die meiste Zeit ihres Lebens von Männern dominiert, 1968 an die Adresse männlicher Lebensabschnittspartner und Ehemänner gerichtet: »It don’t take too much high IQ’s / To see what you’re doing to me / You better think (think) / Think about what you’re trying to do to me.« Männer mögen bitteschön darüber nachdenken, ob die Frau tatsächlich zur Gänze in ihren Funktionen als Sexmäuschen, Hauswirtschafterin, lebender Punchingball und dekorative Begleitperson des Mannes aufgeht oder nicht vielleicht doch als unabhängige, selbst denkende Persönlichkeit wahrgenommen und behandelt zu werden verdient. Den Schrei nach Freiheit, die Forderung nach Unabhängigkeit erklang dann noch im selben Lied: »Oh, freedom (freedom), freedom (freedom) / Oh, freedom, yeah, freedom!«
1980 gab sie ihr Filmdebüt in der Hollywood-Komödie »Blues Brothers«, doch ihrer auf Schallplatte veröffentlichten Musik kam, trotz gelegentlicher Ausflüge in Popgefilde, nicht mehr jene Bedeutung zu, die sie einst hatte.
1985 sang sie gemeinsam mit dem Elektropopduo Eurythmics den Frauenbefreiungssong »Sisters are doin’ it for themselves«. Das zugehörige Video beinhaltete - zwischen jene Passagen montiert, in denen Franklin, in einem knallroten Kleid steckend, und Annie Lennox, mit Sakko und enger Lederhose bekleidet, als Duett tanzen und singen - sowohl alte Stummfilmsequenzen, in denen zu sehen ist, wie Frauen von Männern misshandelt und gemaßregelt werden, als auch kurze Filmschnipsel, die berühmt gewordene Künstlerinnen oder Politikerinnen und Frauen als Soldatinnen, Ärztinnen, Astronautinnen oder Wissenschaftlerinnen zeigen.
1987 war die Soulsängerin die erste Frau, die in die Rock and Roll Hall of Fame aufgenommen wurde. Im Lauf ihres Lebens erhielt sie 25 Goldene Schallplatten. Im Januar 2009 sang sie anlässlich der Amtseinführung von Barack Obama, des ersten schwarzen Präsidenten in der Geschichte der USA. Im Jahr darauf diagnostizierte man bei ihr Krebs. Im November vergangenen Jahres gab sie ihr letztes Konzert.
Aretha Franklin starb am Donnerstag in Detroit an den Folgen ihrer langjährigen Erkrankung.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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