Lückenschluss über der Mosel

Rheinland-Pfalz: Die zweithöchste Brücke Deutschlands ist fast komplett - sie war seit ihrer Planung umstritten

  • Birgit Reichert, Zeltlingen
  • Lesedauer: 4 Min.

Fast geräuschlos schieben sich 32 000 Tonnen Stahl über das Moseltal. Ganz langsam und kaum sichtbar - Zentimeter für Zentimeter. Und dennoch ist dies der Endspurt für die größte Brücke, die sich derzeit in Europa im Bau befindet. Nur noch wenige Meter, dann ist der Brückenschlag des 1,7 Kilometer langen Bauwerks komplett. Die bis zu 160 Meter hohe Hochmoselbrücke zwischen Ürzig und Rachtig in Rheinland-Pfalz soll ab 2019 mit dem Neu- und Ausbau der Bundesstraße 50 eine direkte Straßenverbindung zwischen den Benelux-Staaten und dem Rhein-Main-Gebiet schaffen.

»Es ist ein großer Meilenstein, wenn die Brücke jetzt die Eifelseite erreicht«, sagt der Bauaufseher beim Landesbetrieb Mobilität Rheinland-Pfalz, Christoph Schinhofen, an der Baustelle. »Ein bisschen Wehmut ist auch dabei, wenn eine so lange und interessante Bauzeit sich dem Ende zuneigt.« An der Brücke wird bereits seit 2011 gebaut, seit Sommer 2014 ist in insgesamt 13 »Verschüben« von großen Stahlträgern über die zehn Pfeiler sukzessive der Überbau entstanden.

Am 24. August soll es so weit sein: Dann wird die vollendete Querung des Stahlüberbaus mit politischer Prominenz gefeiert. Unter anderem haben sich Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) und der rheinland-pfälzische Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) angesagt. Das monumentale Bauwerk, das man im Moseltal schon aus vielen Kilometern Entfernung sieht, wird bundesweit die Nummer zwei sein: Nur die Kochertalbrücke - maximale Höhe 185 Meter - in Baden-Württemberg sei höher, sagt der Projektingenieur.

Nicht allen jedoch wird zum Feiern zumute sein: Denn die gigantische Brücke war seit ihrer Planung umstritten. Kritiker bemängelten, dass das Mega-Bauwerk das idyllische Landschaftsbild des Moseltals zerstöre. »Die Brücke baut das Tal nicht zu«, widerspricht Schinhofen. Sie sei extra »so transparent wie möglich« gebaut worden: mit großen Abständen zwischen schlanken Pfeilern und einem schlanken Überbau.

Der Rohstahl stammt aus der Dillinger Hütte im Saarland und wurde in Fertigungswerken in Hannover und im elsässischen Lauterburg zu Bauteilen verarbeitet, die dann mit rund 1000 Schwertransporten an die Baustelle geliefert wurden. Zudem seien 40 000 Kubikmeter Beton verbaut worden, berichtet der Fachmann.

Auch waren Sorgen laut geworden, dass der Bau ein großes Risiko berge - und zwar auf Eifelseite, wo man vor einigen Jahren in 22 Metern Tiefe Erdverformungen von rund 0,6 Millimetern pro Jahr festgestellt hatte. Um diese Bedenken auszuräumen, mussten die Brückenbauer nachlegen. Sie bauten dort sechs unterirdische Betonsäulen - als zusätzlichen Schutz für den Fall, dass es irgendwann einmal erneut zu Bewegungen am Hang komme. »Die Brücke ist absolut sicher«, versichert der Ingenieur.

Die Brückenkatastrophe von Genua hat auch den 50-Jährigen geschockt. Zu möglichen Ursachen könne er jedoch nichts sagen. »Das wäre alles unseriös.« In Deutschland jedenfalls sei noch »nie eine Brücke unter Verkehr zusammengebrochen«, sagt er. Unglücke, die hier passierten, geschahen während der Bauphase, zum Beispiel, weil ein Traggerüst versagt habe. Bundesweit gebe es rund 40 000 Brücken im Bereich von Bundesfernstraßen. »Wir haben hohe Sicherheitsreserven.« Alle sechs Jahre gebe es Haupt- und alle drei Jahre Zwischenuntersuchungen.

Nach dem Brückenschlag an der Mosel stehen noch reichlich Arbeiten an. Zunächst wird der rote, gut 80 Meter hohe Pylon-Turm entfernt, dieser reduzierte beim Verschub die Durchbiegung der Überbauspitze. »Der hat seine Arbeit jetzt getan«, sagt Schinhofen. Danach wird der Überbau, der für den Verschub um 2,40 Meter überhöht auf den Pfeilern liegen musste, höhenmäßig mittels Hydraulikpressen in seine Endlage abgesenkt. Es folgen Geländer, Beschilderung und Schutzplanken, bevor dann wohl nach dem Winter asphaltiert wird.

Das Projekt Hochmoselübergang, zu der die Brücke mit einer insgesamt 25 Kilometer langen neuen Strecke zwischen Eifel und Hunsrück gehört, war auch immer wieder wegen seiner Kosten in den Schlagzeilen. 2004 - also vor dem Start der Bauarbeiten - war von 280 Millionen Euro die Rede, bei Baubeginn der Brücke in 2011 waren es dann 330 Millionen Euro. Zurzeit geht man von mindestens 483 Millionen Euro aus, wobei 175 Millionen auf die Brücke selbst entfallen.

Grund für die Verteuerung seien vor allem die Baupreise, die in den vergangenen Jahren um rund 30 Prozent gestiegen seien, sagt Schinhofen. Jeder, der schon mal gebaut habe, wisse, dass es teurer als geplant werde. Die extra Dübelschächte zur Hangabsicherung schlugen zudem mit rund neun Millionen zu Buche.

Die Brücke lockt sowohl Wanderer und Touristen als auch Anwohner an, die schauen, wie es vorangeht. Wie Franz Kappes und Robert Franzen aus den nahen Zeltingen. Sie sind an die Stelle gewandert, an der noch die Lücke klafft. »Die Brücke sieht okay aus, weil sie ja ziemlich filigran gebaut ist«, sagt Kappes. Er könne das Bauwerk von seinem Schlafzimmer aus sehen. »Unsere Bedenken sind eigentlich nur die Geräusche später, wenn der Verkehr hier rollt.« Er hoffe, dass das nicht zu laut werde. Die Brücke sei ohnehin nicht mehr aufzuhalten. »Aufregen nützt ja nichts mehr.« dpa/nd

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