Ossis arbeiten mehr und verdienen weniger

Stärkere Tarifbindung und Maßnahmen gegen prekäre Arbeit würden Ost-West-Spaltung verringern

Wenn sich Ostdeutsche als Bürger zweiter Klasse fühlen, gelten sie schnell als Jammerossis. Dabei beweist jede Statistik die empirische Basis dieses Kollektivgefühls. Bezogen auf den Arbeitsmarkt belegen aktuelle Daten der Statistikämter von Bund und Ländern eine deutliche Spaltung. Beschäftigte in Ostdeutschland arbeiten demnach weiterhin länger als die im Westen – und verdienen weniger. Im vergangenen Jahr leisteten Arbeitnehmer in den alten Bundesländern im Schnitt 1279 Arbeitsstunden. Im Osten mit Berlin waren es 1346 Stunden, also 67 mehr. Ohne Berlin sind es sogar 75 Stunden mehr. Zugleich lagen die Jahres-Bruttolöhne je Arbeitnehmer im Westen mit 35.084 Euro um fast 5000 Euro höher als in den neuen Ländern mit 30.172 Euro.

Ausgewertet hat diese Daten die LINKE-Bundestagsfraktion, die davor warnt, sich an die ungleichen Lebensverhältnisse zu gewöhnen. »Die Bundesregierung hat sich offensichtlich mit einem Sonderarbeitsmarkt Ost abgefunden«, kritisierte die Sozialexpertin der Linksfraktion, Sabine Zimmermann. Dies sei »nicht akzeptabel«. Einen wesentlichen Schlüssel für eine weitere Angleichung sieht ihre Partei in der Stärkung der im Osten deutlich schwächeren Tarifbindung. Niedrigstlöhnen und prekärer Beschäftigung müsse deutschlandweit der Kampf angesagt werden, unter anderem durch eine Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro, so Zimmermann.

In Betrieben mit Tarifvertrag arbeiten Beschäftigte in der Regel kürzer und verdienen mehr. Auch Gewerkschaften fordern von der Politik seit Langem, die strukturellen Rahmenbedingungen zu verbessern, etwa indem gesetzliche Hürden für die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen abgebaut werden. Wobei die Strukturschwäche Ostdeutschlands dazu führt, dass selbst tariflich in ein- und derselben Branche nicht dieselben Arbeitszeiten durchgesetzt werden können. Die Angleichung fällt auch der vergleichsweise starken IG Metall schwer. Nach der Tarifrunde in diesem Frühjahr sollen nun immerhin Gespräche mit den Arbeitgebern darüber aufgenommen werden.

Im Schnitt am längsten gearbeitet wurde 2017 der Statistik zufolge in Thüringen mit 1371 Stunden. Es folgen Sachsen-Anhalt mit 1362 Stunden und Mecklenburg-Vorpommern mit 1353 Stunden je Arbeitnehmer. Am wenigsten Arbeitsstunden waren es in Nordrhein-Westfalen (1261), im Saarland (1259) und in Rheinland-Pfalz (1255).

Bei Löhnen und Gehältern war dagegen Hamburg Spitze mit 40.771 Euro brutto im vergangenen Jahr. Es folgen Hessen (37.832 Euro) und Baden-Württemberg (36.786 Euro). Am wenigsten verdienten Arbeitnehmer in Mecklenburg-Vorpommern mit im Schnitt 27.520 Euro, davor lagen Sachsen-Anhalt (28.607 Euro) und Brandenburg (28.715 Euro).

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