Stasi-Gelände: Es ist kompliziert

Aufarbeitungsvereine und Opferverbände fordern Klärung über Zukunft des Areals

  • Johanna Treblin
  • Lesedauer: 3 Min.

BIM, BImA, Kubal, Reimers. Das Gelände in Lichtenberg, auf dem einst das DDR-Ministerium für Staatssicherheit seinen Hauptsitz hatte, gehört heute einem Flickenteppich an Eigentümern: Dem Bund, vertreten durch die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA), dem Land Berlin, vertreten durch die Berliner Immobilienmanagement (BIM), der Privatperson Maurice Reimers und einer Eigentümergemeinschaft, vertreten durch den Verwalter Sven Kubal. Ähnlich bunt sind die Nutzungen: Ein Ärztehaus, ein Physiotherapiezentrum und eine Bankfiliale säumen die Einfahrt zum Gelände, im Hauptriegel lädt das Stasimuseum ein, sich mit der Geschichte des Gebäudes zu befassen. Auch am Dienstag drängen sich vor allem Schüler vor dem Eingang und im Foyer.

Auf dem Innenhof hat die Robert-Havemann-Gesellschaft eine Freiluftausstellung zur DDR-Opposition aufgestellt. Die Stasiunterlagenbehörde lagert hier einen Teil ihrer Archivbestände, im Quergebäude zur Frankfurter Allee hin waren bis vor kurzem noch Flüchtlinge untergebracht.

Seit Jahren wird darüber debattiert, was mit den zum Teil stark sanierungsbedürftigen Gebäuden geschehen soll, wie ihre Historie, die sich auch in einer Sauna, einem Kinosaal und großflächigen Mosaiken zeigt, erhalten und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden kann. Das Bezirksamt Lichtenberg wünscht sich einen Kulturstandort, die Eigentümergemeinschaft will ein Hostel und ein Studierendenwohnheim eröffnen und Büroräume einrichten. Die Stasiunterlagenbehörde will mit Unterstützung der Bundeskulturstaatsministerin einen sogenannten Campus der Demokratie eröffnen. Zum Teil sollen dafür Gebäudeteile abgerissen und neue gebaut werden.

Es ist unübersichtlich. Um ein bisschen mehr Durchblick zu erhalten, luden Aufarbeitungsvereine und Opferverbände am Dienstag zu einer Anhörung auf das ehemalige Stasi-Gelände ein. Auf dem Podium saßen Vertreter fast aller relevanten Akteure - vom Bezirksamt bis zu den Eigentümern. Vereinzelt gab es neue Erkenntnisse, Gemeinsamkeiten wurden gefunden, doch letztlich hängt alles an der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Die hat die Hand auf dem Areal. Bereits vor einem Jahr richtete sie eine Standortkonferenz aus und kündigte an, einen Standortmanager zu bestimmen. »Seitdem herrscht hier Stillstand«, sagte Christian Booß vom Bürgerkomitee 15. Januar am Dienstag auf dem Podium.

Dazu sagte eine Sprecherin der Senatsverwaltung dem »nd«, mittlerweile sei ein Büro ausgewählt worden, das das Standortmanagement übernehmen solle. »Der Vertrag wird in Kürze abgeschlossen.« Den Namen des Büros wollte sie nicht nennen. Sie verwies auf eine für Ende September geplante zweite Standortkonferenz. Diese ist nicht öffentlich, und auch die Initiativen, die zur Anhörung am Dienstag geladen hatten, erklärten, nicht eingeladen zu sein. Eine öffentliche Konferenz ist für Ende dieses oder Anfang nächsten Jahres geplant.

Teilnehmen an der Konferenz im September soll Bezirksbürgermeister Michael Grunst (LINKE). Dem »nd« sagte er: »Wir können uns eine stärkere kulturelle Nutzung und eine Jugendherberge vorstellen.« Am wichtigsten sei es aber, die Eigentümerstruktur zu klären. Grunst sagte auch, er habe die Senatsverwaltung aufgefordert, sich für das Bebauungsverfahren verantwortlich zu erklären, das bisher in der Zuständigkeit des Bezirks liegt. Das sei vernünftiger, da das Areal schließlich eine Bedeutung weit über Lichtenberg hinaus habe, findet Grunst.

Das zeigt auch der geplante Campus der Demokratie. Seit 2012 werde über die Idee gesprochen, hieß es auf der Konferenz. Doch voran gehe es damit nicht. Das liegt unter anderem daran, dass der Bund für den Campus drei Gebäude haben möchte, die dem Land Berlin gehören. Eines davon wird derzeit genutzt: Darin sind Tonstudios untergebracht. Nicht nur das Bezirksamt, auch der Senat will dort Ateliers einrichten. Um die Gebäude an den Bund abzutreten, könnte der im Ausgleich andere Gebäude abgeben.

Es bleibt kompliziert. Von der Standortkonferenz versprechen sich die Beteiligten wenig. Sven Kubal erklärt: »Wir kalkulieren, dass es in den nächsten zwei bis drei Jahren keine Entscheidung seitens der Politik geben wird.«

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