Lompscher legt den Turbo ein

Programm zur Beschleunigung des Wohnungsbaus beschlossen

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

Nach einigem koalitionsinternen Streit ist es nun doch gelungen: Der Senat hat am Dienstag Maßnahmen zur Beschleunigung und Ausweitung des Wohnungsbaus beschlossen. »Wir wollen die Verwaltungsabläufe und Genehmigungsverfahren beschleunigen und transparenter gestalten«, sagt Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (LINKE) bei der Vorstellung des Programms. Das sei nötig, weil derzeit »die Verfahren nicht auf Schnelligkeit, sondern auf Gründlichkeit ausgelegt« seien.

Ein konkretes Beispiel benennt Umwelt- und Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos, für Grüne): Als eines der Hemmnisse wurde die nötige Abstimmung zwischen den Denkmalschutzbehörden auf Senats- und Bezirksebene identifiziert. Hier soll es Änderungen geben. Auch Baumfällgenehmigungen bei genehmigungsreifen Bauprojekten sollen erteilt werden können. Da Fällungen nur von November bis Ende Februar zulässig sind, kann die nicht erteilte Genehmigung Projekte im Zweifelsfall um ein Jahr verzögern, erklärt Lompscher. Es müsse jedoch auch eine konkrete Bauabsicht erkennbar sein.

Streit zwischen den Verwaltungen Lompschers und Günthers gab es vor allem um die Punkte Natur-Ausgleichsflächen und Waldschutz. Verhandelt wurde darüber sogar noch auf der Senatssitzung. Die Vorlage sei schließlich jedoch »in großem Einvernehmen« verabschiedet worden, sagt die Umweltsenatorin. Die Stadtentwicklungsverwaltung wollte auch Kleingarten- und Friedhofsflächen als Ausgleich für die Versiegelung von Böden durch Bauprojekte anerkennen. Dieses Vorgehen sei jedoch »nicht zielführend, da es sich um meist vorher unberührte Natur handelt«, erläutert Günther.

Offener war ihr Haus bei Waldflächen. Laut derzeit gültigem Waldleitfaden gilt auch auf einst freiem Bauland entstehende Spontanvegetation als schützenswerter Wald. Das in Überarbeitung befindliche Dokument soll ein Verfahren »mit deutlich mehr Ermessensspielräumen« etablieren, verspricht Günther. Sie zeigt sich mit den Ergebnissen zufrieden: »Es wird eine Beschleunigung des Wohnungsbaus erreicht, ohne das Stadtgrün hintenanzustellen.«

Ein Thema ist auch der riesige sogenannte Bauüberhang. Es liegen Baugenehmigungen für 60 000 Wohnungen vor, die zum Teil seit Jahren nicht realisiert werden. Hier möchte die Stadtentwicklungssenatorin auf verhinderte Bauherren zugehen, um nachzuhaken, wo die Gründe liegen. Druckmittel könnte die Androhung einer Nichtverlängerung der Genehmigung sein, erläutert Lompscher. Es könnten auch landeseigene Wohnungsbaugesellschaften als Partner für die Realisierung einspringen. Der Erfolg ist offen, denn viele Investoren scheinen vor allem auf den Spekulationsgewinn durch rasant steigende Bodenpreise zu schielen.

Erfolgversprechender ist das für 2019 geplante Pilotprojekt zur Aufstockung bestehender Plattenbauten bei landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften. »Allein die HOWOGE verfügt über 320 000 Quadratmeter Flachdachflächen«, sagt Lompscher. Ein bis zwei Stockwerke ließen sich bei Leichtbaukonstruktionen wohl auf viele Fünf- und Sechsgeschosser sowie auf zehn- und elfgeschossige Plattenbauten der Serie WBS 70 draufsatteln - so könnten Tausende neue Wohnungen entstehen.

In einem ersten Schritt sollen auch 20 Grundstücke für genossenschaftlichen Wohnungsbau zur Verfügung gestellt werden. »Und zwar gut bebaubare«, so Lompscher. Bisher vergibt die landeseigene Berliner Immobilienmanagement in aufwendigen Konzeptverfahren jährlich eine Handvoll Grundstücke. »Wenn es in diesem Tempo weitergehen würde, wäre es nicht sehr vertrauensbildend«, erklärt Lompscher. Zusätzlich soll ein Genossenschaftsbeauftragter ernannt werden.

100 zusätzliche Stellen werden für die Beschleunigung des Wohnungsbaus geschaffen, 40 davon bei der Stadtentwicklungsverwaltung, 25 bei der Umwelt- und Verkehrsverwaltung sowie 35 bei den Bezirken. Vor allem dort kann es nur ein erster Schritt sein, allein Tempelhof-Schöneberg hat einen Bedarf von zwölf zusätzlichen Stellen im Baubereich ermittelt.

Grünen-Fraktionschefin Antje Kapek begrüßt, dass diese Mittel auch für externe Gutachten ausgegeben werden können, falls die Stellen nicht besetzt werden können. Im Planungsbereich herrscht ein eklatanter Fachkräftemangel. »Ich bin zufrieden mit dem Ergebnis«, sagt sie über das Paket.

Und Michael Müller (SPD)? »Der Regierende Bürgermeister hat den Eindruck gewonnen, dass das Thema bei den beiden Damen in guten Händen ist«, erklärt Senatssprecherin Claudia Sünder auf Nachfrage, warum Müller nicht anwesend ist.

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