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- Polizeigewalt
Berliner Gewerkschafter kritisieren Polizei auf Antikriegsdemo
Mitglieder von GEW, IG Metall und Verdi bezeugen friedlichen Verlauf auf der Demo – Polizei habe unrechtmäßig gehandelt
Nach dem Angriff der Berliner Polizei auf den Bundestagsabgeordneten Cem Ince (Linke) am Sonntag in Wedding kritisieren Mitglieder diverser Gewerkschaften die Behörde und die mediale Berichterstattung dazu scharf. Ince nahm als parlamentarischer Beobachter an der Demonstration »Geld für den Kiez statt Waffen für den Krieg« teil. »nd« berichtete.
Eine Reihe von Mitgliedern der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), IG Metall, Verdi und IG BAU waren ebenfalls anwesend. »Wie viele andere Menschen aus dem Kiez machen wir uns Sorgen, dass wir nicht nur die sozialen Auswirkungen eines alle Lebensbereiche bedrohenden Konfrontations- und Kriegskurses zu spüren bekommen, sondern dass uns eines Tages die sich immer weiter ausbreitenden militaristischen Einrichtungen in Berlin im wahrsten Sinne des Wortes um die Ohren fliegen«, begründen sie ihre Teilnahme in einem gemeinsamen Schreiben, dass »nd« vorliegt. Wie viele Personen hinter dem Schreiben stehen, ist nicht bekannt.
Demnach gingen von der Demonstration weder Aggressionen aus, noch wurden antisemitische Parolen erkennbar gerufen – entgegen des in der Presse verbreiteten polizeilichen Narratives. Dabei handelt es sich laut den Gewerschafter*innen um »Verzerrungen und Schutzbehauptungen, um amtsanmaßende Handlungen zu decken«. Die Gewerkschafter*innen zweifeln daran, dass die angegebenen 20 Verhaftungen rechtmäßig und verhältnismäßig waren.
»Umgekehrt können wir bezeugen, dass seitens der Polizei trotzdem anlasslos ohne erkennbaren Grund in den Block vor uns provokativ und gewaltsam eingedrungen wurde. Es war nur dem disziplinierten und besonnenen Verhalten der meist jungen Demonstrationsteilnehmer zu verdanken, daß die Situation nicht eskaliert ist«, heißt es in dem Schreiben ferner. Als Gewerkschafter*innen betonen die Autor*innen, dass die in vielen Fällen dokumentierten Übergriffe der Berliner Polizei das Image einer weltoffenen Hauptstadt ramponierten. Das habe schädliche Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung und auf die Arbeitsplätze in Berlin. Die Übergriffe der Polizei stünden somit »in krassem Widerspruch zu den sozialen Interessen der Beschäftigten«.
Der Angriff auf Ince ist durch Videoaufnahmen belegt. Sie zeigen, wie mehrere Polizeibeamte den Abgeordneten im Schwitzkasten abführen. Was zuvor geschah, ist nicht zu sehen. Das Video zeigt einen Beamten von hinten, wie er den Abgeordneten in eine Polizeiwanne drückt und mehrere Schlagbewegungen in seine Richtung ausführt. Ince selbst kommentierte am Dienstag dazu, dass er von der Behörde an der Ausübung seines Mandats gehindert worden sei. Er sei als parlamentarischer Beobachter nicht nur durch eine Weste erkennbar gewesen, sondern habe sich den Beamten auch als solcher vorgestellt. »Meinerseits gab es weder Berührungen noch Provokationen, geschweige denn Straftaten.« Gegen die Polizei habe er Anzeige erstattet. Laut dem Boulevard-Blatt »BZ« soll Ince vor seiner Festnahme einen Beamten geschlagen haben.
Auch die Bundestagsabgeordnete Lea Reisner (Linke) erfuhr gut dokumentierte Polizeigewalt. So war sie anlässlich einer propalästinensischen Demonstration als parlamentarische Beobachterin am 7. Oktober in Berlin. Ein Video in den sozialen Medien zeigt, wie ein Beamter die mit einer Weste als Parlamentarierin erkennbare Reisner mit der Faust ins Gesicht schlägt. Zuvor gab es keinen körperlichen Angriff seitens Reisner auf den Beamten. Laut Angaben von »B.Z.« soll Berliner Polizeisprecher Florian Nath mitgeteilt haben, dass das Landeskriminalamt seit dem 13. Oktober eine Prüfung zu möglichen Straftaten durch den Beamten durchführe, der die Abgeordnete geschlagen hat.
Der innenpolitische Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus Niklas Schrader teilte am Mittwoch dazu mit, dass Faustschläge gegen Abgeordnete, die zur Beobachtung vor Ort sind und sich offen als solche zu erkennen geben, »absolut inakzeptabel« sind. »Selbst wenn die Stimmung aufgeheizt ist oder es aus einer Demo zu Straftaten kommt: Der Zweck heiligt nicht die Mittel.« Schrader weist darauf hin, dass die Einsätze der vergangenen Tage zeigten, dass die Berliner Polizei immer weniger auf Deeskalation und immer häufiger auf maximale Härte setze. »Wer bei Demonstrationen zum Nahost-Konflikt immer wieder unverhältnismäßige Gewalt einsetzt, trägt nicht zur Befriedung bei, sondern zur Eskalation.« Die Linksfraktion werde dazu eine parlamentarische Anfrage an den Senat stellen. »Von der Innensenatorin fordern wir Aufklärung und eine klare Ansage an die Berliner Polizei zur Rückkehr zur Verhältnismäßigkeit«, so Schrader.
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