Sanktionen - und kein Ende?

US-Maßnahmen bedrohen nicht nur die russische, sondern auch die EU-Wirtschaft

  • Hubert Thielicke
  • Lesedauer: 4 Min.

Die USA setzen derzeit auf eine aggressive Außenwirtschaftspolitik. Da-bei ist der von Präsident Donald Trump initiierte Handelskrieg nur eine Seite der Medaille, die andere ist der Einsatz von Sanktionen als politische Waffe - eine Auseinandersetzung, wie es sie seit den schlimmsten Zeiten des Kalten Krieges nicht gegeben hat. Hauptadressat der von den USA verhängten und teilweise von Verbündeten mitgetragenen Maßnahmen ist Russland. US-Sanktionen richten sich jedoch auch gegen Iran, die Türkei, Kuba oder Venezuela.

Erste Sanktionen gegen Russland erließ bereits die Obama-Administration im Zusammenhang mit der Ukrainekrise 2014. Angesichts der Übernahme der Halbinsel Krim durch Russland und der Abspaltung der Südostukraine beschlossen USA und EU Einreiseverbote und Kontensperrungen für bestimmte Personengruppen, Waffenembargo, Finanzmarktsanktionen, Verbot der Lieferung spezieller Waren und Technologien. Russland reagierte mit Gegenmaßnahmen bis hin zu Importverboten von Lebensmitteln aus Staaten, die antirussische Sanktionen erlassen hatten.

Die Folge war ein beträchtlicher Rückgang im Außenhandel. Der Ostausschuss der Deutschen Wirtschaft schätzt, dass sich zwischen 2013 und 2017 der Handel der EU mit Russland um über 40 Prozent verringerte, wobei auch der gesunkene Ölpreis und der schwache Rubelkurs Einfluss hatten. Die Sanktionskosten für Russland und den Westen seit 2014 hätten einen dreistelligen Milliarden-Euro-Betrag überschritten. Nach einer Studie des Kieler Instituts für Weltwirtschaft betrugen diese für das Jahr 2015 allein 97 Milliarden Euro.

Die Strafmaßnahmen sollten Russland in die Knie zwingen, doch dies gelang nicht. Trotz Kritik aus der Wirtschaft sowie zunehmender Zweifel der Regierungen von Griechenland, Italien, Österreich, Bulgarien und Ungarn hat die EU bisher die Sanktionen im Halbjahresrhythmus verlängert. An diesem Donnerstag entscheidet der Europäische Gerichtshof über deren Rechtmäßigkeit.

Eine neue Sanktionswelle läuteten inzwischen die USA ein. Noch im Dezember 2016 erließ der scheidende Präsident Obama Strafmaßnahmen, die mit angeblichen Cyberangriffen Russlands im US-Wahlkampf begründet wurden; eine Argumentation, die bis heute für ständig neue Sanktionen herhalten muss. Seit der Amtsübernahme Trumps geht die Initiative vor allem vom Kongress aus - Ausdruck einer Divergenz zwischen dem Präsidenten, der an einer Normalisierung der Beziehungen zu Russland interessiert zu sein scheint, und der harten Linie des republikanischen Establishments. Exemplarisch dafür ist das im vergangenen Jahr verabschiedete »Gesetz zur Abwehr von Amerikas Gegnern durch Sanktionen«, das den außenpolitischen Spielraum des Präsidenten erheblich einengt, denn er darf die Maßnahmen ohne Zustimmung des Kongresses nicht aufheben.

Fast 700 russische Bürger und Firmen seien von den US-Sanktionen betroffen, meldete kürzlich die Nachrichtenagentur Bloomberg. Dass es um eine weitreichende Schädigung der russischen Wirtschaft geht, zeigen die im April vom US-Finanzministerium verkündeten Strafmaßnahmen, in deren Zentrum der Oligarch Oleg Deripaska, Chef des Aluminiumkonzerns Rusal, steht. Während zur Begründung von der Bestrafung von »Russlands bösartigen Aktivitäten« die Rede war, ist die Botschaft an die internationale Wirtschaft klar: Haltet euch bei Geschäften mit Russland zurück!

Nach den im August allein von den USA verhängten Sanktionen, für die der Fall Skripal herhalten musste, werden im Kongress Strafmaßnahmen erörtert, die den russischen Finanz- und Energiesektor treffen sollen. Im Visier steht dabei auch das europäisch-russische Pipelineprojekt Nord Stream 2, das die USA als Hindernis für den Export ihres Flüssiggases nach Europa betrachten.

Solche Sanktionen seien deshalb so gefährlich, weil sie sich auch gegen europäische Partner russischer Firmen richten könnten, so der Ostausschuss-Vorsitzende Wolfgang Büchele. In Regierungskreisen scheint diese Erkenntnis nun angekommen zu sein. »Auch im Verhältnis zu Russland bedrohen extraterritoriale US-Sanktionen den Handel mit der EU«, erklärte kürzlich Außenminister Heiko Maas (SPD). »Es ist inakzeptabel, mit Sanktionen Einfluss auf die europäische Energiepolitik nehmen zu wollen.«

Fragt sich nur, wie weit diese Erkenntnis trägt. Was Russland angehe, müsse sich Deutschland aus dem Schlepptau Washingtons lösen, fordert der sicherheitspolitische Experte Theo Sommer. Die primär vom US-Kongress bestimmte Russlandpolitik entbehre jeglicher Rationalität.

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