Metro will Supermarktkette Real verkaufen

Handelskonzern plant Abtrennung aller 34 000 Beschäftigten / Kritik von Mitarbeitern, ver.di und Linkspartei

  • Sebastian Bähr
  • Lesedauer: 4 Min.

»Wir wollen sie darüber informieren, dass der Vorstand der Metro entschieden hat, einen Verkaufsprozess für Real in die Wege zu leiten.« Dieser »nd« vorliegende Aushang war am Donnerstag in verschiedenen Filialen der Einzelhandelskette zu finden. Mit der Verkaufsankündigung haben sich nach Monaten von Krisenmeldungen und Protesten die Befürchtungen vieler der bundesweit rund 34 000 Real-Beschäftigten bestätigt. Ihre Zukunft ist nun ungewiss.

Schon seit längerer Zeit steht Real unter wirtschaftlichem Druck. 2015 hatte der Mutterkonzern Metro den Flächentarifvertrag gekündigt, im Frühjahr beendete er den 2016 beschlossenen Zukunftstarifvertrag mit ver.di. Real wechselte zum hauseigenen Arbeitgeberverband »Unternehmervereinigung für Arbeitsbedingungen im Handel und Dienstleistungsgewerbe«, um so einen Tarifvertrag mit der arbeitgebernahen Kleinstgewerkschaft »Deutschnationaler Handelsgehilfenverband« umsetzen zu können. Alle Mitarbeiter wurden in das Unternehmen »Metro Services GmbH« ausgelagert, die Löhne sanken bei neuen Arbeitsverträgen um 25 Prozent. Im Juli kam es zu Warnstreiks und Protestaktionen in Dutzenden Städten gegen die Tarifflucht.

Mit der Entscheidung, Real zu verkaufen, setzt die Metro den Auseinandersetzungen erst mal ein abruptes Ende. Der Chef des Konzerns, Olaf Koch, will die Supermarktkette nach eigener Aussage dabei als Ganzes veräußern. Die Metro sei bereits wegen eines Real-Verkaufs kontaktiert worden, habe aber abgelehnt, sagte der Vorstandsvorsitzende am Freitag. Man sei »noch nicht bereit« gewesen, aber werde nun mit Interessenten in Gespräche eintreten. Als möglichen Käufer brachten Finanzanalysten den Online-Händler Amazon ins Spiel. Das US-Unternehmen wollte sich dazu nicht äußern. Die Entscheidung, sich von Real zu trennen, erfolgt nur wenige Wochen, nachdem Großaktionär Haniel ein Aktienpaket von 7,3 Prozent an den tschechischen Milliardär Daniel Kretinsky verkauft hatte. Laut Koch ein Zufall.

An der Börse kamen die Pläne für einen Verkauf von Real gut an. Metro-Aktien stiegen um bis zu drei Prozent. Real-Mitarbeiter, Gewerkschafter und Politiker äußerten dagegen Besorgnis. »Der geplante Verkauf von Real ist die nächste Hiobsbotschaft für die Beschäftigten«, sagte Pascal Meiser, der gewerkschaftspolitische Sprecher der Linksfraktion gegenüber »nd«. Seit Jahren versage das Real-Management bei der strategischen Neuausrichtung, ausbaden müssten es immer wieder die Belegschaft. Meiser weist in dieser Hinsicht auf die Bedeutung der Mitbestimmung hin: »Es muss Schluss damit sein, dass einige wenige Investoren über die Köpfe Tausender Beschäftigten hinweg über deren Zukunft entscheiden.«

Meiser forderte die Bundesregierung auf, die Tarifverträge im Einzelhandel wieder für allgemeinverbindlich zu erklären. »Das wäre in der momentanen Situation ein wichtiges Signal, um zu zeigen, dass der Politik das Schicksal der Verkäufer im Einzelhandel nicht egal ist.«

Der brandenburgische Real-Mitarbeiter und DGB-Kreisvorsitzende von Dahme-Spreewald, Danny Albrecht, äußerte gegenüber »nd« Unzufriedenheit mit der Verkaufsentscheidung. »In den Belegschaften macht sich Angst und Verunsicherung breit, viele haben die Befürchtung, das Real komplett zerschlagen wird«, so der Angestellte. Kollegen würden sich fragen, was mit dem Geld passiert sei, auf das man im Rahmen des Zukunftstarifvertrages verzichtet habe, um Investitionen zu ermöglichen. »Die Aktionäre sind fein raus, die Mitarbeiter stehen ohne Zukunftsperspektive da«, so Albrecht. Wenn ein neuer Investor das Unternehmen kaufe, brauche es Arbeitsplatzgarantien. Albrecht forderte die Politik auf, sich für die Real-Beschäftigten einzusetzen.

Auch von ver.di hagelt es scharfe Kritik. »Erst haben die Beschäftigten auf Lohn verzichtet, um das Unternehmen zu retten, dann hat das Unternehmen den gültigen Tarifvertrag geschreddert, und nun soll Real verkauft werden - wir erwarten, dass die Metro wenigstens jetzt Verantwortung für die Beschäftigten übernimmt«, erklärte das ver.di Bundesvorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger. Auch die Gewerkschafterin warf dem Metro-Managment falsche Entscheidungen und Konzepte vor, die die »Werthaltigkeit des Unternehmens massiv gefährdet« hätten. Das Interesse von ver.di sei nun, »dass Real als Ganzes an ein seriöses Unternehmen verkauft wird, das verantwortungsvoll mit der Belegschaft umgeht«. Man gehe davon aus, dass der Verkauf von Real offenbar schon länger von der Metro vorbereitet wurde.

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