Alzheimer-Erkrankte haben Anspruch auf Blindengeld

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Das entschied das Bundessozialgericht (Az. B 9 BL 1/17 R). Eine Alzheimer-Erkrankte beantragte Blindengeld, weil sie optische Reize infolge der Demenz nicht mehr kognitiv verarbeiten kann. Das Landesversorgungsamt wies den Antrag mit der Begründung ab, dass es sich nur um eine zerebrale Störung handle. Eine spezifische Sehstörung sei nicht nachweisbar, weshalb auch kein Anspruch auf Blindengeld bestehe.

Der Fall landete vor dem Bundessozialgericht, welches sich auf die Seite der Demenzkranken stellte. Auch bei einer zerebralen Störung könne Blindheit angenommen werden. Das Gericht betonte allerdings, dass die Behörde den Antrag dann ablehnen könne, wenn der Zweck des Blindengeldes verfehlt sei.

»Das Blindengeld wird zum Ausgleich blindheitsbedingter Mehraufwendungen pauschal gezahlt. Entstehen keine Mehraufwendungen durch die Sehstörung, entfällt der Anspruch auf Blindengeld«, erklärt dazu Rechtsanwältin Gudrun Schackmar von der Deutschen Anwaltshotline (DAH).

Das Bundessozialgericht gab den Fall zurück an die Vorin- stanz, wo nun geprüft wird, ob eine Zweckverfehlung vorliegt. Ist dies nicht der Fall, hat die Alzheimerpatientin einen wirksamen Anspruch auf Blindengeld - auch ohne nachweisbare Sehstörung. DAH/nd

Eltern als Betreuer vorgeschlagen - Gericht lehnte ab

Für eine psychisch erkrankte Frau war 2008 ein Berufsbetreuer für die vermögensrechtlichen Angelegenheiten bestellt worden. 2014 musste das Amtsgericht entscheiden, ob das Betreuungsverhältnis verlängert werden sollte. Die Betreute wünschte ausdrücklich, künftig von ihren Eltern betreut zu werden. Dennoch hielt das Amtsgericht am Berufsbetreuer fest. Dagegen wehrte sich die Betreute.

Das Gericht warf den Eltern vor, sie hätten einige Male Geld von der Tochter erhalten, ohne den Betreuer zu informieren. Dieses Verhalten erklärten die Eltern im Beschwerdeverfahren damit, dass sie dem Berufsbetreuer nicht vertrauten. Daraufhin bestellte das Gericht einen anderen Berufsbetreuer, setzte aber nicht die Eltern als Betreuer ein.

Erneut legte die Betreute Beschwerde ein und bekam schließlich vom Bundesgerichtshof (Az. XII ZB 390/16) Recht. Der Gesetzgeber schreibe vor, dass Betreuungsgerichte bei der Auswahl des Betreuers die Vorschläge volljähriger Betreuter umsetzen sollten, so der BGH. Das gelte vor allem dann, wenn der Betroffene einen nahen Verwandten vorschlage. Angehörige seien in erster Linie zu berücksichtigen. Von dieser Regel dürfe das Gericht nur ausnahmsweise abweichen, wenn es dem Wohl des Betreuten zuwiderliefe, seinem Wunsch zu entsprechen.

Im konkreten Fall könne aber keine Rede davon sein, dass es den Interessen der jungen Frau widerspräche, die Eltern als Betreuer zu bestellen - auch wenn die Eltern dem ehemaligen Berufsbetreuer einige Finanztransaktionen verschwiegen hätten.

Sei die verweigerte Auskunft auf ein gestörtes Vertrauensverhältnis zurückzuführen, könne man daraus nicht schließen, dass die Eltern als Vermögensbetreuer generell, also auch gegenüber dem Amtsgericht ihre Rechenschaftspflichten verletzen würden. Außerdem hätte das Gericht dann immer noch die Möglichkeit, zu Zwangsmitteln zu greifen und die Eltern als Betreuer abzuberufen. OnlineUrteile.de

Hinterbliebene von Mietern können Wohnung beanspruchen

Nach dem Tod eines Mieters kann der Lebensgefährte in das Mietverhältnis einsteigen. Will der Vermieter ihn jedoch wegen Zweifeln an seiner Zahlungsfähigkeit vor die Tür setzen, muss er diesen Verdacht sehr genau begründen.

Das geht aus einem Urteil des Bundesgerichtshofs (Az. VIII ZR 105/17) hervor. Nur dann könne der Vermieter das Mietverhältnis verweigern. Damit kann ein Auszubildender aus Nürtingen bei Stuttgart in einer Dreizimmerwohnung weiter wohnen bleiben. Die Wohnung hatte ursprünglich dessen Lebensgefährtin gemietet. Als diese starb, wollte der Lebensgefährte in das Mietverhältnis eintreten.

Der Vermieter lehnte dies ab und begründete das damit, dass der Auszubildende die monatliche Bruttomiete in Höhe von 715 Euro von seinem Lehrlingsgehalt nicht bezahlen könne. Damit liege ein wichtiger Grund vor, das Mietverhältnis zu kündigen.

Der Auszubildende erklärte jedoch, er könne die Miete bezahlen. Gleichzeitig verlangte er die Zustimmung zur Untervermietung. Ein Arbeitskollege wolle mit einziehen. Dann könnten sie sich die Miete teilen. Darauf wollte sich der Vermieter nicht einlassen und klagte auf Räumung der Wohnung.

Der Bundesgerichtshof gab dem Azubi Recht. Ein Vermieter könne einem nach dem Tod des Mieters hinterbliebenen Partner nur aus wichtigem Grund die Übernahme des Mietverhältnisses verweigern, hieß es. Zwar könne eine drohende wirtschaftliche Leistungsunfähigkeit ausnahmsweise solch ein Grund sein. Der Vermieter müsse aber konkret belegen, warum »alsbald« die Miete nicht gezahlt werden kann. Dies sei hier nicht gelungen. epd/nd

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