Werbung

Maaßen-Beförderung wird zur Belastungsprobe

Miersch: Kanzlerin besitzt nicht mehr die nötige Autorität / Stegner: »Der Geduldsfaden mit dieser großen Koalition wird in der SPD extrem dünn.«

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU) hat Union und SPD aufgefordert, die Beförderung Maaßens mitzutragen und ihren Streit zu beenden. »Dem Ziel einer handlungsfähigen Regierungskoalition sollten Union und SPD jetzt alles unterordnen«, sagte Oettinger den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Es gebe in Deutschland und Europa viel zu tun, was in den vergangenen Wochen in den Hintergrund geraten sei.

Der Fall des bisherigen Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen sorgt dabei in der SPD weiter für Unmut. »Ein SPD-Bundesinnenminister hätte Herrn Maaßen nicht in sein Ministerium geholt«, sagte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil am Dienstagabend im ZDF-»heute-journal« mit Blick auf die Versetzung Maaßens auf den Posten eines Innenstaatssekretärs. Juso-Chef Kevin Kühnert sagte, der Preis »für den Fortbestand der Koalition« sei zu hoch gewesen.

Die Spitzen der schwarz-roten Koalition hatten am Dienstag beschlossen, dass Maaßen seinen Posten an der Spitze des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) räumen muss. Der 55-Jährige wechselt als Staatssekretär ins Innenministerium von Ressortchef Horst Seehofer (CSU). »Bild« zufolge wird Maaßen Staatssekretär für Innere Sicherheit und Cybersicherheit. Sein monatliches Grundgehalt steige damit von 11.000 Euro auf über 14.000 Euro.

Auslöser des Streits waren umstrittene Äußerungen Maaßens zu den Vorfällen in Chemnitz. Er hatte sich skeptisch zur Echtheit eines Videos geäußert, auf dem die Verfolgung von Ausländern in der sächsischen Stadt zu sehen war. Zudem widersprach er der Einschätzung, es habe dort Hetzjagden gegeben - damit widersprach er zugleich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).

Der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sagte der »Rheinischen Post« vom Mittwoch, die Beförderung Maaßens zum Staatssekretär werfe »ein schlechtes Licht« auf die Haltung Seehofers und die Durchsetzungskraft Merkels. »Die Autorität der Kanzlerin hat durch die Konflikte mit der CSU-Spitze erheblichen Schaden genommen«, sagte Weil. Bestimmte Dinge dürfe sich eine Kanzlerin nicht bieten lassen.

»Der Dauerkonflikt zwischen CDU und CSU wird zu einer nahezu unerträglichen Belastungsprobe für diese Koalition. Das ist Wasser auf die Mühlen der Demokratiegegner«, sagte der Chef der Parlamentarischen SPD-Linken im Bundestag, Matthias Miersch, am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur. »Wirklich schlimm ist, dass die Kanzlerin nicht mehr die Autorität besitzt, die Berufung eines Staatssekretärs zu verhindern, dem gerade das Misstrauen ausgesprochen wurde.«

Parteivize Ralf Stegner bezeichnete den Wechsel des bisherigen Verfassungsschutzchefs in die Regierung als »Desaster« und sagte der Deutschen Presse-Agentur: »Der Geduldsfaden mit dieser großen Koalition wird in der SPD extrem dünn.« Juso-Chef Kevin Kühnert erklärte: »Meine persönliche Schmerzgrenze ist erreicht.« CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer betonte dagegen, die Entscheidung sei im Einvernehmen mit der SPD gefallen.

Tatsächlich hatte SPD-Chefin Andrea Nahles der Personalie am Dienstag bei einem Treffen mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und CSU-Chef Seehofer zugestimmt. Die SPD hatte zuvor wegen grundsätzlicher Zweifel an Maaßens Eignung im Kampf gegen Rechtsextremismus seine Ablösung als Behördenchef gefordert und mit dem Ende der großen Koalition gedroht.

Trotz seiner Kritik an der Versetzung sprach sich SPD-Generalsekretär Klingbeil für eine Rückkehr zur Sachpolitik aus. Bei den Themen Miete, Rente und Pflege stünden wichtige Entscheidungen an, sagte er im ZDF-»heute-journal«. »Wegen eines solchen Streites verlässt man nicht die Regierung«, sagte er in den ARD-»Tagesthemen«. Agenturen/nd

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal