Selbstsicheres Tasten

Jessy Rameik

  • hds
  • Lesedauer: 2 Min.

Sie deckte gern die kleinsten Regungen auf, jene scheinbar unsichtbaren Tugenden und Tücken eines Charakters. Sie spielte wie selbstverständlich mit ihrer Attraktivität, um so eine Natürlichkeit, eine Grazie aufzubauen, hinter der es dann irrlichtern durfte. Jessy Rameik war - vor allem in den siebziger, achtziger Jahren - eine Schauspielerin von ruhiger Beiläufigkeit, die ihr Spiel mühelos wirken ließ. Geheimnisvoll, aber nicht gar zu viel; offen, aber nicht gar zu unvorsichtig. »KLK an PTX - Die rote Kapelle«, »Die Legende von Paul und Paula«, »Anton der Zauberer« sind DEFA-Filme, denen sie eine Farbe gab, die stets mehr war als nur ein Schimmern im Schattenwurf der jeweils verkörperten Heldenschaften. Erinnert sei auch an die Komödie »Florentiner 73« und jene Fotografin, die sie in elf Folgen der TV-Reihe »Das unsichtbare Visier« gab, an der Seite des von Armin Mueller-Stahl gespielten Kundschafters Achim Detjen.

In Frank Vogels Film »Das siebente Jahr« war dieser Laufbahn ein früher Höhepunkt gesetzt: Jessy Rameik und Wolfgang Kieling als Ehepaar im peinigenden Konflikt jeder Liebe: Nähe ist stets auch ein Schritt in neue Fremdheit; hinterm aschestaubigen Wort von der Emanzipation steckt oft mehr Selbstaufgabe, als das Klischee es erlauben will. Alles Lebenstriumphale ist schön - aber oft nur auf Kredit genommen. Dies spielte Jessy Rameik nicht etwa als sentimentale Anmutung, sondern als tastende Form.

Die 1934 in Riga Geborene spielte an Theatern zwischen Görlitz und Magdeburg. Vor der Kamera aber fand sie ihr wahres Spielfeld - und hinter dem Mikrofon: Sie sang Chansons, nervgenau vibrierend oder schwungbewusst. Wo sie dann, in später Zeit, bundesdeutsche Fernsehserien betrat, blieb doch eine Ahnung dessen, was sie einst vor die Scheinwerfer gedrängt hatte: im Spiel - fürs Leben - ein Würdewunder an Unsentimentalität zu sein. Bereits Ende August ist Jessy Rameik - ungebührlich weithin unbeachtet - im Alter von 84 Jahren verstorben hds

Andere Zeitungen gehören Millionären. Wir gehören Menschen wie Ihnen.

Die »nd.Genossenschaft« gehört ihren Leser:innen und Autor:innen. Sie sind es, die durch ihren Beitrag unseren Journalismus für alle zugänglich machen: Hinter uns steht kein Medienkonzern, kein großer Anzeigenkunde und auch kein Milliardär.

Dank der Unterstützung unserer Community können wir:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ Themen ins Licht rücken, die sonst im Schatten bleiben
→ Stimmen Raum geben, die oft zum Schweigen gebracht werden
→ Desinformation mit Fakten begegnen
→ linke Perspektiven stärken und vertiefen

Mit »Freiwillig zahlen« tragen Sie solidarisch zur Finanzierung unserer Zeitung bei. Damit nd.bleibt.

- Anzeige -
- Anzeige -