Immerhin Konsens angestrebt

Kooperationsvertrag von Mietern und Gewobag für Neues Kreuzberger Zentrum geschlossen

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 4 Min.

»Es hat ein Weilchen gedauert, und es ist nur ein erster Schritt«, sagt Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (LINKE) am Montagmorgen. Der Mieterrat des Neuen Kreuzberger Zentrums (NKZ) und die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Gewobag haben sich auf eine Kooperationsvereinbarung geeinigt, »in der festgelegt wurde, dass man sich später einigt«, ergänzt die Senatorin noch.

»Ich rechne es der Gewobag hoch an, dass sie sich auf den Prozess eingelassen hat und mit uns und der Stadtentwicklungsverwaltung über ein Jahr lang verhandelt hat«, erklärt Mieterrats-Sprecherin Marie Schubens. Denn so ein selbstorganisierter Mieterrat wie der des NKZ passe nicht in die sonstigen Strukturen des Unternehmens. »Die Entscheidungen sollen im Konsens getroffen werden - das ist tatsächlich etwas Neues«, so Schubens. Die konkrete Formulierung in der Vereinbarung lautet, dass »ein Konsens angestrebt« wird. »Es muss sich zeigen, was das in der Praxis bedeutet«, räumt die Mieterrätin ein. Dabei gehe es nicht nur um die Belange der Wohnungsmieter, sondern auch um den Schutz der Gewerbetreibenden im Gebäude.

Die Verhandlungen mit dem Mieterrat sind »ein gutes Beispiel dafür, dass es ein stetiges Ringen um die Frage ist, welchen Schwerpunkt man jetzt setzt«, sagt Gewobag-Vorstand Snezana Michaelis. »Wir tragen nicht nur Verantwortung für die Immobilie, sondern auch für die, die hier ihr Zuhause haben und jene, die ihr Einkommen und Auskommen haben«, so Michaelis. Sie spricht viel über die Verantwortung der Gewobag, was zwischen den Zeilen vermittelt, dass ihr Unternehmen im Zweifelsfall das letzte Wort hat.

»Ich gehe davon aus, dass es in dem Geist, wie es bisher gelebt wurde, weitergeht«, sagt Lompscher noch. Und legt dar, dass es aus ihrer Sicht eine »Sache zwischen der Wohnungsbaugesellschaft und den Mietern« sei, ihre Verwaltung sich also eher nicht einmischen möchte.

Am gleichen Vormittag lädt das Netzwerk »kommunal & selbstverwaltet wohnen« zu einem weiteren Termin in Kreuzberg. Die Mitglieder stellen eine druckfrische Broschüre zum Thema Demokratisierung der Wohnraumversorgung vor. »Viele Mieter mussten leidvoll erfahren, dass öffentliches Eigentum nicht vor Mietsteigerung und Verdrängung schützt«, so Lisa Vollmer von Kotti & Co. Die Initiative hatte sich wegen leidvoller Erfahrungen mit einst kommunalen Beständen an der Südseite des Kottbusser Tors gegründet, die inzwischen der Deutschen Wohnen gehören.

»Wir haben früh gemerkt, dass wir eine Selbstverwaltung wollen«, sagt Joachim Knecht. Er ist Mieter der Kreuzberger Wrangelstraße 66, das durch Ausübung des bezirklichen Vorkaufsrechts in den Bestand der Gewobag kam. Das von den Bewohnern entwickelte Konzept für ein Selbstverwaltungsmodell wurde sehr gelobt, berichtet Knecht. »Es wurde von der Gewobag aber klar formuliert, dass es nicht gewünscht ist.«

In diesem Rahmen wird auch Marie Schubenz vom NKZ-Mieterrat deutlicher: »Es sagt auch etwas aus, dass es über ein Jahr gedauert hat, die Kooperationsvereinbarung zu verhandeln.« Es sei der Gewobag »durchaus nicht leicht gefallen, sich darauf einzulassen.« Geholfen habe, dass im Koalitionsvertrag von Rot-Rot-Grün die Gegend ums Kottbusser Tor als Modellprojekt für Mietermitbestimmung vereinbart sei. »Mit uns alleine hätte die Gewobag nicht verhandelt«, so Schubenz.

Derzeit laufen auch kollektive Pachtverträge landeseigener Wohnungsunternehmen mit den Mietern einst besetzter Häuser aus, die die Selbstverwaltung beinhalten. »Während in der Schöneberger Bülowstraße 52 die Gewobag den Vertrag problemlos erneuert hat, machte die degewo in der Mansteinstraße 10 deutlich, dass sie diesen Vertrag loswerden möchte«, berichtet Lisa Vollmer. Noch problematischer ist die Situation des sogenannten Blocks 89, sieben Kreuzberger Häuser an Fraenkelufer und Kohlfurter Straße, die inzwischen der Deutschen Wohnen gehören.

»Es geht hier nicht um Partikularinteressen, nicht darum, autonome Glücksinseln zu schaffen, sondern um eine breite Bewegung«, formuliert Vollmer das Anliegen des Netzwerks. »Den Bekundungen des Senats müssen auch Taten auf der Verwaltungsebene folgen«, fordert sie.

Am Sonntag wird das Konzept ab 20 Uhr in der Vierten Welt im NKZ vorgestellt. www.kommunal-selbstverwaltet-wohnen.de

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