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Guter Jesuit

Personalie

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 2 Min.

Ein guter Jesuit sollte mit beiden Beinen in der Wirklichkeit stehen und einen besonderen Blick für die Armen haben. Dieser Satz war es wohl nicht, der Professor Ansgar Wucherpfennig seinen Posten gekostet hat. Der Jesuitenpater und Rektor der Theologisch-Philosophischen Hochschule Sankt Georgen wurde vom Vatikan in seinem Amt vielmehr deshalb nicht bestätigt, weil er in einem Interview neben dem vorstehenden auch einen anderen Satz sagte. Dass nämlich »tiefsitzende, zum Teil missverständlich formulierte Stellen in der Bibel« der Grund seien, dass die Kirche gegenüber Homosexuellen eine derart ablehnende Haltung pflegt. So habe Paulus im Römerbrief die Abhängigkeits- und Unterwürfigkeitskeitsverhältnisse in den homosexuellen Beziehungen der Antike kritisieren wollen, nicht die Homosexualität selbst; Liebe aber müsse eine egalitäre, freie Beziehung sein. Ein schönes Gespräch, das Wucherpfennig mit einem Journalisten der »Frankfurter Neuen Presse« 2016 führte und in dem er auch über den Zölibat und eigene Liebeserfahrungen sprach. Dieses Interview fällt ihm nun offenbar auf die Füße.

Die Verweigerung des »Nihil obstat«, also der Unbedenklichkeitsbestätigung durch die vatikanische Kongregation hat nun allerdings das Zeug, die ohnehin verunsicherte und polarisierte Kirche weiter zu verunsichern und zu polarisieren. Denn was die päpstliche Verwaltung hier an Ansgar Wucherpfennig nach seiner im Februar bereits erfolgten Wiederwahl zum Rektor exekutiert, ist das Beharren auf der bekannten selbstherrlichen Pose, die bereits im Missbrauchsskandal ihre selbstzerstörerische Wirkung tut. Mit beiden Beinen in der Wirklichkeit zu stehen, das heißt für Wucherpfennig, homosexuelle Paare zu trauen und den Zölibat als Verpflichtung zu hinterfragen. Für Wucherpfennigs vorgesetzte Bischöfe und die Katholische Bischofskonferenz, die sich bereits für ihn erklärt haben, hieße es, ihre Stimme auch gegen Rom zu erheben. Und für die staatliche Verwaltung notfalls, sich über den Vatikan hinwegzusetzen. Eventuell ausgetragen vor Gericht ...

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