Besserer Kinder- und Jugendschutz im Internet gefordert

Sexuelle Belästigung von Kindern und Jugendlichen nimmt zu

  • Lesedauer: 3 Min.

Jugendschutzexperten haben deutliche technische, gesetzliche und pädagogische Verbesserungen beim Schutz von Kindern und Jugendlichen im Internet gefordert. So sollten Plattformbetreiber mit technischen Mitteln Schutzvorkehrungen treffen und für ein kinder- und jugendgerechtes Angebot sorgen, sagt der Leiter von Jugendschutz.net, Friedemann Schindler. Der Vorsitzende der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM), Wolfgang Kreißig, fordert zeitgemäße Rechtsgrundlagen für einen besseren Kinder- und Jugendschutz im Netz. Auch an die Verantwortung der Eltern und Schulen wurde appelliert.

2017: Bei über 100 000 Angeboten 7513 Verstöße

Sechs Tipps für Eltern
Tipp 1: Eltern sollten sich Gedanken darüber machen, den eigenen PC oder den PC der Kinder so abzusichern, dass zumindest einige der Gefahren erkannt, abgemildert und verhindert werden können.


Tipp 2: Sie sollten sich in regelmäßigen Abständen die Chronik des Browsers ihres Kindes ansehen. Dadurch erkennen sie schnell die verschiedenen Webseiten. Ohne ihrem Kind etwa hinterher zu spionieren, lässt sich leider kein richtiger Schutz erreichen. Sie erkennen im Browserverlauf recht schnell, welche Seiten ihr Kind öffnet. Den Verlauf findet man am schnellsten in den Einstellungen.

Tipp 3: Wenn die PCs in ihrem Haushalt mit Windows 10 ausgestattet sind, ist die kostenlose Family-Safety-Funktion für Microsoft-Konten zu nutzen. Dadurch haben die Eltern weitgehende Kontrolle über das Nutzerverhalten ihres Kindes. Voraussetzung dafür ist, dass die Familienmitglieder verschiedene Anmeldekonten am PC nutzen, und sie sich mit Microsoft-Konten anmelden.

Tipp 4: Auch Jugendschutzprogramm.de als kostenlose Software ist zu empfehlen. Auf der Seite www.jugendschutzprogramm.de erhält man eine Software zum Filtern von unerwünschten Webseiten. JusProg e.V., der Anbieter des Tools, ist ein gemeinnütziger Verein, der sich aus den Beiträgen seiner Mitglieder finanziert. Hier findet man auch viele Internetseiten, die beim Jugendschutz auf PCs und Smartphones helfen können. Die Standardversion des Jugendschutzprogrammes ist kostenlos.

Tipp 5: Eine weit verbreitete Lösung für den Jugendschutz findet man auf der Seite kinderserver-info.de einer Arbeitsgruppe für kindgerechtes Surfen im Internet. Die Software ist kostenlos, schnell eingerichtet und bietet Schutz vor unerwünschten Internetseiten.

Tipp 6: Neben den kostenlosen Tools kann auch eine kostenpflichtige Software eingesetzt werden, etwa eine Kindersicherung. Der Vorteil besteht in der einfachen Einrichtung und der effizienten Filter. nd

Für den neuen Bericht »Jugendschutz im Internet« 2017 überprüfte Jugendschutz.net im vergangenen Jahr mehr als 100 000 Angebote im Netz und stellte dabei 7513 Verstöße fest. Zwar konnte in 80 Prozent der Fälle eine schnelle Löschung erreicht werden, so der Jugendschutz.net-Leiter Schindler. Dennoch würden die Plattformen, zu denen Anbieter wie Facebook, WhatsApp, Youtube oder Instagram sowie neuere soziale Netzwerke wie Tik Tok oder Tellonym zählen, bislang zu wenig Vorsorge ergreifen.

In den meisten Fällen seien die Voreinstellungen der Apps so konfiguriert, dass die Nutzerprofile auf »öffentlich« eingestellt seien. Auch Schutz vor Kontaktanfragen durch Fremde gebe es nicht. Zudem erfassten zahlreiche Plattformen und Apps ungefragt Standortdaten ebenso wie Informationen zur Heimatadresse oder zur Schule der minderjährigen Nutzer.

Sexualisierte Darstellungen von Kindern zugenommen

»Wenn bereits Achtjährige im Internet unterwegs sind, sind sichere Voreinstellungen ein Muss«, sagt Schindler und verweist auf technische Möglichkeiten der Anbieter. Wirksam wäre dabei auch die Nutzung von Keyword-Filtern, so dass Inhalte mit Worten wie »Schlampe« oder »Fotze« für Kinder und Jugendliche gar nicht erst sichtbar seien. Zuletzt hätten sexualisierte Darstellungen von Kindern und sexueller Gewalt in sozialen Medien deutlich zugenommen.

Weitere Problembereiche für Kinder und Jugendliche seien die Aufforderung zu Selbstverletzungen und Suizid, Radikalisierungen und Gewaltaufrufe durch Rechtsextremisten und Islamisten sowie Cybermobbing. So gehöre es zum Online-Alltag von Kindern und Jugendlichen, mit Kommentaren wie »Du fettes Stück Scheiße«, »geh dich erhängen« oder »zeig mal deine Tittchen« vor allem in interaktiven Diensten konfrontiert zu werden.

Altersspezifischer Schutz

Die Betreiber seien in der Pflicht, durch altersspezifische Schutzmaßnahmen den jüngeren Usern eine unbeschwerte Teilhabe zu ermöglichen. Zugleich müssten Eltern und Schulen dazu beitragen, dass Kinder und Jugendliche ein gutes Urteils- und Einschätzungsvermögen bei der Online-Nutzung entwickeln. Notwendig sind zeitgemäße gesetzliche Vorgaben, so der KJM-Vorsitzende. Es gebe zwar eine Alterbeschränkung etwa bei Filmen, die auf DVD geschaut werden. Wenn der gleiche Film online über Telemedien gestreamt werde, würden diese Altersfreigaben jedoch nicht greifen. »Der gesetzliche Jugendmedienschutz läuft völlig an der Realität vorbei«, beklagt Kreißig. epd/nd

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