Finger weg vom Tempelhofer Feld

Über die neue Debatte zur Randbebauung

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 2 Min.

In wenigen Tagen jährt sich die Schließung des Flughafens Tempelhof zum zehnten Mal. Am 30. Oktober 2008 schloss der seinerzeit Zentralflughafen genannte Airport seine Pforten. Nach langen Kämpfen - und einem gescheiterten sowie einem erfolgreichen Volksentscheid - erhielt Berlin den für eine Metropole einzigartigen Freiraum. Seit 2010 ist die Tempelhofer Freiheit öffentlich zugänglich. Wie gut Berliner, Touristen und Anwohner das Feld mit seinem Flair und seinen weiten Horizonten annehmen, zeigen täglich die zahlreichen Jogger, Skater, Spaziergänger, die dort unterwegs sind. Dass diese Fläche mit ihrer bedeutenden Geschichte nicht unter Investoren aufgeteilt wurde, lag vor allem daran, dass fast 740 000 Berliner 2014 in einem bemerkenswerten Akt des Widerstands per Volksentscheid eine Randbebauung des Tempelhofer Feldes ablehnten - und damit einen Wechsel in der Stadtpolitik einleiteten. Für den damaligen SPD-Stadtentwicklungssenator Michael Müller war das eine herbe politische Niederlage. Wirklich überwunden hat der heutige Regierende Bürgermeister diese persönliche Schlappe nicht. So werden pünktlich zum Schließungsjubiläum neben Müller auch andere Stimmen laut, die das Volksgesetz kippen wollen und eine Freigabe der Feldränder für den Wohnungsbau einfordern. Zuletzt fasste die oppositionelle CDU auf ihrem Landesparteitag einen solchen Beschluss, in welchem von dem »wichtigsten innerstädtischen Potenzialgebiet« die Rede ist. Auch Müllers SPD, deren Landesvorsitzender der Regierende Bürgermeister ist, zieht eine Bebauung angesichts der Wohnungsnot für die nächste Legislatur in Betracht.

Natürlich ist es nötig, mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Und genauso ist es richtig, dass man niemals nie sagen sollte. Das Volksgesetz zur Offenhaltung des Tempelhofer Feldes ist nicht auf ewig in Stein gemeißelt. Man sollte jedoch genau hinhören, wenn wie bei der CDU windelweich von einer unter »strengen Voraussetzungen« umzusetzenden Randbebauung die Rede ist. Dabei vernebeln die Zuschreibungen »smart«, »nachhaltig«, »sozial und funktional« für die »Stadt von Morgen« lediglich, worum es in der Debatte zur Randbebauung auch vor fünf Jahren ging: dass das Areal an den Rändern für Investoren urbar gemacht werden soll. Doch diese verklausulierte Landnahme haben die Berliner schon beim letzten Volksentscheid durchschaut. Auch damals hätte es nur wenige bezahlbare Wohnungen unter Einbeziehung der Wohnungsbaugesellschaften und Genossenschaften gegeben. Das Gros wäre für die Rendite gebaut worden.

Ein neuer Volksentscheid würde deshalb nur dann Sinn ergeben, wenn die Randbebauung von vorne bis hinten sozial ausgerichtet wäre. Solange das nicht der Fall ist, sollte der Senat andere Wohnungsbaupotenziale heben, wie etwa die Überbauung von Supermärkten. Vom Tempelhofer Feld sollten dagegen die Finger gelassen werden, sonst verbrennt die Politik sie sich wieder.

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