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Starke Freundinnen

Der Berliner Verein Spandau 04 spielt jetzt auch mit seinen Wasserballerinnen erstklassig

  • Klaus Weise
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Wasserfreunde Spandau 04 haben mal wieder ein erfolgreiches Wasserball-Wochenende hinter sich. Das ist erst mal nichts Ungewöhnliches, sondern Standard seit Jahrzehnten. Ungewohntes widerfuhr den Berlinern, seit 1979 mit 87 Titeln dekoriert, allerdings in der Vorsaison: Sie blieben ohne jede Trophäe und mussten in allen drei nationalen Wettbewerben (Meisterschaft, Pokal, Supercup) dem ungeliebten Erzrivalen Waspo Hannover den Sieg überlassen.

Das soll wieder anders werden. Mit einem 20:10-Sieg am Sonntag gegen Duisburg übernahmen die Spandauer Männer erst mal die Ligaspitze. Unterstützung bei der versuchten Rückkehr in die Erfolgsspur erhalten die Wasserballer jetzt aber von ungewohnter und ganz neuer Seite: von Frauen. Denn Spandau 04 hat seit dieser Saison auch erstklassige Wasserballerinnen. Sie bestritten am Sonnabend ihr Premierenmatch beim SC Chemnitz. Keine ganz einfache Aufgabe, schließlich waren die Sächsinnen in der vergangenen Spielzeit Vierte in der Bundesliga. Immerhin einen Punkt erkämpften die Berlinerinnen: 15:15 hieß es am Ende.

Mit Berlin kehrt ein Standort auf die sehr spärlich besetzte deutsche Frauenwasserball-Landkarte zurück, der dort schon einmal jahrelang die beste Adresse war. In den 90er Jahren sammelte die Schwimm-Union Neukölln (später SG Neukölln) noch nationale Titel, war im Europacup dabei und stellte das halbe Nationalteam. Trainer Gerhard Thiedke, ein Berliner Original der feinsten Sorte, der seine »Damen« auch mal als »Panzerkreuzer Potemkin« titulierte, war Erfolgsgarant, eine Zeit lang auch Bundestrainer. Doch als er das Traineramt übergab, ging es erst allmählich, dann immer rasanter bergab. 2015 gaben die Neuköllner Wasserballerinnen nach 16 Bundesliga-Spielzeiten in Serie schließlich auf - und verzichteten auf weitere Präsenz im Oberhaus.

Mit Spandaus Auftritt gibt es nun drei Vereine, die sowohl mit Männern als auch Frauen in der Bundesliga vertreten sind. Neben den Berlinern sind das Waspo Hannover und Bayer Uerdingen. Trainer der »Wasserfreundinnen« ist mit Marko Stamm einer, dessen Name aufmerken lässt. Der 30-jährige Kapitän der 04-Männer ist Sohn von Wasserball-Ikone Hagen Stamm, der als Präsident des Klubs natürlich ein wichtiges Wort mitzureden hat, wenn es um Frauen im Verein geht. Aktuell wird er daher von alten Weggefährten gerne mit ebenso alten Aussagen konfrontiert, die etwa so lauteten: Solange ich hier amtiere, wird es Frauenwasserball bei uns nicht geben …

Heute nimmt Hagen Stamm solche Zitate gelassen: »Die Zeiten ändern sich. Als Marko mich mit der Idee konfrontierte, sind wir schnell zu dem Schluss gekommen: Warum nicht? Aber: Entweder ganz oder gar nicht.« Der Sohn landete erst auf privatem Weg beim Frauenwasserball. Mit Belén Vosseberg, eine der Besten in Deutschland, ist er seit zwei Jahren liiert. Die 20-Jährige hat sei 2014 fast 50 Länderspiele bestritten und zuvor für Uerdingen und Hannover gespielt. Inzwischen ist die Fernstudentin im Fach Business Administration in Berlin zu Hause. »Am Abendbrottisch haben wir mit meinem Vater rumgesponnen und schließlich die Idee vom Frauenteam ausgeheckt«, berichtet Marko. Vor rund 15 Monaten wurde dann mit gerade mal vier Spielerinnen das erst Mal trainiert.

Vosseberg war in der vergangenen Saison mit Hannover Meisterschaftszweite und sowohl in der Haupt- als auch in der Endrunde Torschützenkönigin. Mit Jennifer Stiefel ist eine weitere erfahrene Nationalspielerin Neu-Spandauerin. Die 26-Jährige war zuletzt für Nikar Heidelberg am Ball, bei der Meisterschaftsendrunde im Mai wurde sie als »Beste Spielerin« ausgezeichnet. Die Hamburgerin, die noch zu den Spielen nach Berlin pendelt, stammt ebenfalls aus einer Wasserball-Dynastie. Ihr Vater Jürgen war Auswahlkollege von Hagen Stamm, als die Bundesdeutschen 1981 Europameister wurden.

Am vergangenen Sonnabend waren die beiden Nationalspielerinnen die Stützen ihres Teams beim ersten Bundesligaauftritt. Vosseberg erzielte vier, Stiefel, die im Spielprotokoll kurioserweise als Defren Boz aufgeführt war, gar sechs Treffer beim torreichen Remis im Sportforum Chemnitz. Die Heldin der Partie war für Marko Stamm allerdings seine 16-jährige Torhüterin Alina Laura Wittmann, bis vor Kurzem noch Schützling von 04-Schwimmtrainerin Renate Stamm - natürlich die Mutter von Marko. »Im Training am Donnerstag traf sie ein Ball so unglücklich und hart am Kopf, dass die Folge eine Gehirnerschütterung war. Die Ärzte meinten, ein Einsatz sei kaum möglich, aber sie hat mit Brummschädel und Schmerzmitteln gespielt und Dinger gehalten, wie ich es von ihr im Training zuvor noch nie gesehen habe«, so der stolze Trainer über die Schülerin der Poelchau-Sportschule.

Aktuell zählen 21 Frauen zum Spandauer Kader. Einige - wie die ehemalige Neuköllner Nationalspielerin Mariam Salloum - standen beim Auftakt noch nicht zur Verfügung. Die Spielerinnen wurden auch aus anderen Sportarten rekrutiert, vor allem vom Schwimmen. »Damit haben sie eine gute Vorausbildung. Vier Mädels schaffen die 100 Meter Freistil unter einer Minute«, sagt Marko Stamm, der zwölf Trainingseinheiten in der Woche durchzieht. Mit der Partie in Chemnitz war der Trainer zufrieden: »Der Auftakt war aufregend, aber das soll noch lange nicht alles gewesen sein.« Mitte Dezember steht das erste Heimspiel gegen Waspo Hannover an. Bis dahin soll sich sein Team weiterentwickelt haben. Denn die Ziele sind hoch. »Das ist kein Hobbywasserball, sondern hat die Überschrift Leistungssport. Mit einer Medaille will ich unsere Premierensaison auf jeden Fall abschließen«, kündigt Marko Stamm an.

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