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Liebe & Lappalien
Alex Capus erzählt locker und mitreißend
»Das Leben«, gesteht Max, der Erzähler, seiner Frau Tina, mit der er seit 26 Jahren zusammen ist, »besteht nun mal, wenn man es in seine atomaren Einzelteile zerlegt, aus lauter Lappalien. Es sind die Zusammenhänge zwischen den Lappalien, welche die ganze Sache erst interessant machen.« Lappalien wie etwa die Liebe. Darin steckt auch eine poetologische Aussage, die der Schweizer Romancier Alex Capus seit Jahren und einer stattlichen Zahl von Texten beherzigt. Denn es geht ihm einerseits - große Vorbilder wie Gustave Flaubert lassen grüßen - um die Beschäftigung mit dem Alltag, ums Erzählen kleiner Dinge, worin hinter- und untergründig immer auch Aspekte der großen Geschichte verborgen sind.
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Alex Capus: Königskinder
Roman. Hanser, 176 S.,geb., 21 €.
Max und Tina sind auf dem Rückweg von einer Reise auf einer Passstraße eingeschneit. Während sie nachts in ihrem Toyota Corolla auf die Schneefräse warten, erzählt Max die »wahre Geschichte« des jungen Kuhhirten Jakob Boschung, der 1779 die Bauerntochter Marie-Francoise kennen und lieben lernt. Doch stehen dem Paar, ehe der Erzähler sie am Ende in eine glückliche und womöglich langweilige Gemeinsamkeit entlässt, noch eine Menge Verwicklungen bevor.
Capus‘ Erzähler entwickelt diese Geschichte in einem lockeren Parlando-Ton, den Leser bereits in früheren Büchern zu schätzen wussten. Meisterhaft vermag Capus, Alltägliches und Historisches, die »besondere Begebenheit« mit wissensgestützten Kenntnissen zu verbinden, was immer auch mit leichter Hand poetologisch im Text reflektiert wird.
Wie gesagt: Am Ende haben beide »zusammen ein langes und glückliches Leben gelebt«. Liebe in Zeiten großer historisch-gesellschaftlicher Umbrüche. Eine Tochter, Marguerite, wird geboren. Die hat später »den Bäcker des Städtchens geheiratet und ihm acht Kinder geschenkt. Ihr dritter Sohn ist ein berühmter Mann geworden. Nationalrat, Ständerat und Bundesrichter, ein profilierter Radikaler von 1848. Nebenher war er Lokaldichter im Städtchen, eine kleine Straße gleich beim Bahnhof ist nach ihm benannt. Nichts Besonderes.« - Oder? Frage: Wer war’s?
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