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Das Kuschelhormon Oxytocin

Eva Meijer ist überzeugt: Auch Tiere besitzen eine Sprache und können ebenso mit uns kommunizieren - und uns besseres Miteinander lehren

  • Ursula Rütten
  • Lesedauer: 3 Min.

»Wer Glück hat, trifft ein Tier, das mit einem sprechen will, … das einen kennenlernen möchte.« Eva Meijer hatte offenbar dieses Glück. Ihre frühen Erfahrungen mit diversen Haustieren, später mit ihrem Hund Pika, haben ihr Einblicke in das weite Feld der sprachlichen Kommunikation unterschiedlicher Lebewesen gegeben. »Ohne Pika wäre dieses Buch nicht entstanden«, heißt es im Vorwort. Es wäre gewiss auch kaum entstanden ohne das Philosophiestudium der Autorin und ihre umfassenden Recherchen in allen wissenschaftlichen Disziplinen, die das Kommunikationsverhalten von Tieren und Menschen hinterfragen.

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Eva Meijer: Die Sprachen der Tiere. A. d. Niederl. v. Christian Welzbacher.
Matthes & Seitz, 176 S., geb., 28 €.

Die Autorin distanziert sich von jeglichem Anthropozentrismus, »der den Menschen in den ideellen Mittelpunkt der Welt stellt«. Sie will Tiere nicht länger als rechtlose Objekte angesehen wissen, sondern als Subjekte mit einem je eigenen, artspezifischen Zugang zur Welt. Derart stellen sich viele Fragen neu. Etwa: Was ist eigentlich Sprache? Lässt sich die Art und Weise, wie sich Tiere verständigen, als Sprache bezeichnen? Können wir mit Tieren sprechen und wenn ja, wie?

Tiere vermögen ebenso wie Menschen Empathie zueinander zu entwickeln, belegt die Autorin anhand von zahlreichen empirischen Beispielen. Und zweifellos kommunizieren Tiere untereinander - komplexer, als lange Zeit angenommen: durch Gebärden, Laute, Körpersprache, Geruch, Farbpigmente usw.

Eva Meijer zeichnet nach, wie und welche Tiere Menschensprache imitieren, was sie von Menschen zu lernen vermögen und wo sie und warum damit an ihre Grenzen stoßen. Sie befasst sich mit den Strukturen und der Grammatik von Tiersprachen und deren Bedeutung, beispielsweise mit dem Tanz der Honigbienen oder dem Duktus von Vogelgesängen. Interessant sind nicht zuletzt Beispiele von Kommunikation unter Tieren, mit denen Menschen in weniger engem, freiwilligem und freundlichem Kontakt stehen wie etwa Schnecken, Mücken, Tintenfische. Letztere gäben mit den Farbmustern auf ihrer Haut eine ganze Bandbreite von Informationen an andere Wassertiere weiter. Fledermäuse tragen ihren Geliebten Lieder vor, die genauso komplex seien wie menschliche. Hunde und ihre Menschen schütten das »Kuschelhormon« Oxytocin aus, wenn sie miteinander in Augenkontakt treten, eine entsprechende Zuneigung natürlich vorausgesetzt.

Eva Meijer nähert sich ihrem Thema unprätentiös und ohne Anspruch, die einzig »richtige« Interpretation liefern zu können. Ihr »Nachdenken über Sprache« stützt sich auf die Hinterlassenschaften von Philosophen seit der Antike, auf Studien von Kulturwissenschaftlern und Verhaltensforschern. Für die Autorin steht außer Frage: »Wenn man ein Tier gut kennt, kann man es oft hervorragend verstehen, besser als einen Menschen aus einer anderen Kultur … Indem wir Tieren zuhören, sie mehr beobachten, besser erklären, was wir sagen, in einer für Tiere verständlichen Art und Weise, können wir neue Formen von Gemeinschaft entstehen lassen.« Das müsse nicht unbedingt zu einer alle und alles umfassenden Harmonie führen, wohl aber »zur Möglichkeit einer Lösung praktischer Probleme beim Zusammenleben«.

Mit derartigen Aussagen und einem abschließenden Streiflicht über »Tiere als politische Akteure« eröffnet die Autorin einen großen Raum zum Nachdenken auch über unsere Lebewelt mit ihren diversen Hierarchien, über das, was in unserem Miteinander falsch läuft, unethisch und unvertretbar ist, leider immer wieder wider aller Vernunft.

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