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Neue Halberg Guss endlich verkauft

Autozulieferer hat 50-Millionen-Euro-Bürgschaft der Landesregierungen in Saarbrücken und Dresden in Aussicht

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.

Nach gut zehn Monaten Arbeitskampf, Anspannung und Zitterpartie zwischen Hoffen und Bangen zeichnet sich für die Belegschaft des Automobilzulieferers Neue Halberg Guss (NHG) in Saarbrücken und Leipzig jetzt wieder eine Perspektive zur Weiterführung der Produktion an beiden Standorten ab. Das ist die Botschaft von Betriebsversammlungen in beiden Betrieben, bei denen die Beschäftigten über den anstehenden Verkauf ihrer Firma an den Münchner Finanzinvestor One Square Advisors unterrichtet wurden. Demnach ist ein entsprechender Vorverkaufsvertrag mit dem bisherigen Eigentümer, der bosnischen Prevent-Gruppe, bereits unterzeichnet. Vermögensgegenstände, Produktionsstätten, Grundstücke und Kundenbeziehungen sollen auf den neuen Eigentümer übergehen.

Ab Montag soll im Rahmen eines Betriebsübergangs allen Mitarbeitern die Weiterbeschäftigung zu den bisherigen Bedingungen und den Betriebsräten die Fortführung ihrer Arbeit angeboten werden. Die neuen Firmen sollen die Namen Gusswerke Saarbrücken und Gusswerke Leipzig tragen und unter dem Dach der neuen Avia Guss Holding stehen. Die Verkaufsverhandlungen hatten sich offenbar aufgrund hoher Preisforderungen von Prevent in die Länge gezogen. Dem Vernehmen nach haben Spitzenmanager von One Square Advisors zugesichert, dass damit die drohende Schließung des Betriebs im Leipziger Industrievorort Böhlitz-Ehrenberg ebenso vom Tisch ist wie die vor wenigen Tagen angedrohte Entlassung von 228 Beschäftigten in Saarbrücken. »Das zermürbende Hickhack hört auf, die Belegschaft ist erleichtert«, so der Saarbrücker IG-Metall-Sekretär Patrick Selzer auf nd-Anfrage. Auch der Leipziger IG-Metall-Bevollmächtigte Bernd Kruppa berichtete gegenüber »nd« von einer »großen Erleichterung« der Belegschaft und sprach von einem »historischen Kampf« in den zurückliegenden Monaten. »Vor Kurzem hat man uns noch gesagt, die Schließung sei in Stein gemeißelt. Jetzt haben wir wieder Chancen.«

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Mit dem Verkauf beginne nun der Kampf um die Rückgewinnung des Vertrauens der NHG-Kunden, zu denen in erster Linie Großkonzerne der Auto- und Nutzfahrzeugbranche gehören. Dem bisherigen Eigentümer Prevent attestierten Gewerkschafter ein »Heuschreckengebaren« nach dem Motto: Unternehmen aufkaufen, die Kunden mit höheren Preisen und Lieferboykotts erpressen und die Betriebe auf dem Rücken der Beschäftigten schließen. Um diesem Schicksal zu entgehen, hatte die Belegschaft im Sommer sechs Wochen lang für einen Sozialtarifvertrag gestreikt und auch später drohende Demontagen und Abtransporte verhindert.

Der neue Eigentümer ist nach Angaben seines Vorstandschefs Frank Günther auf Restrukturierungsprozesse spezialisiert und will mit einer Sanierung und Restrukturierung das Unternehmen »aus der Talsohle« ziehen. »Dann wird man weiter sehen«, so Günther vor der Saarbrücker Belegschaft. Wie viele Stellen im neuen Jahr der Restrukturierung zum Opfer fallen werden und ob andere Rückschritte drohen, muss sich zeigen. »Nicht jeder Arbeitsplatz ist sicher«, weiß auch Kruppa.

Zur Absicherung des Deals haben nach Informationen aus dem saarländischen Wirtschaftsministerium die Bundesregierung und die Landesregierungen in Saarbrücken und Dresden eine Bürgschaft in Höhe von insgesamt 50 Millionen Euro in Aussicht gestellt. Frühere Ideen von einem Einstieg der öffentlichen Hand als (Teil-)Eigentümer sind damit vorerst vom Tisch. Saar-Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger und ihr sächsischer Kollege Martin Dulig (beide SPD) gaben sich optimistisch und bescheinigten One Square Advisors die Fähigkeit, die neue Firma als Zulieferer der Fahrzeugindustrie profitabel zu führen.

Weniger euphorisch gibt sich der saarländische Linksfraktionschef Oskar Lafontaine: »Halberg Guss braucht langfristige Perspektive und keinen neuen Investor, der nur kurzfristigen Profit im Auge hat«, erklärte er. One Square Advisors sei keine Firma, die im klassischen Sinne längerfristig Unternehmen führe, sondern »eine unabhängige Restrukturierungsberatung mit den Schwerpunkten Finanzrestrukturierung und Übernahme von Kontrollfunktionen«, so Lafontaine. Damit sei die Gefahr nicht gebannt, dass nach einem weiteren Eigentümerwechsel der Betrieb »wieder an einen Investor geraten wird, der sich ähnlich verhält wie die zahlreichen Anteilseigner zuvor«.

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