Hängepartie um Beirat von Abschiebeknast

Nach schwarz-blauer Blockade von LINKE-Politikerin Nagel: Fraktion entscheidet im Januar / Flüchtlingsrat bezweifelt Wirksamkeit des Gremiums

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 3 Min.

Die sächsische Linksfraktion wird erst im Januar entscheiden, wie sie auf die Blockade von CDU und AfD im Landtag bei der Besetzung des Beirats für das sächsische Abschiebegefängnis reagiert. Einerseits sei man »an einem arbeitsfähigen Beirat interessiert«, sagte die Leipziger Abgeordnete Juliane Nagel. Zugleich dürfe es aber »nicht sein, dass Schwarz-Blau Kritiker*innen der Abschiebepolitik aus der Kontrolle darüber ausschließen will, ob dort Menschenrechte respektiert oder verletzt werden«, sagte sie.

Nagel, die in ihrer Fraktion Sprecherin für Flüchtlings- und Migrationspolitik ist, war von dieser für den Beirat nominiert worden. Dem neunköpfigen Gremium gehören drei Abgeordnete des Landtags an. Zwei stellt die CDU; der dritte Sitz steht der LINKEN als größter Oppositionsfraktion zu. Im Präsidium des Landtags hatten aber Vertreter von CDU und AfD die Ernennung Nagels verhindert. Zur Begründung wurde auf ihr Engagement in der linksalternativen Szene verwiesen. Stephan Meyer, der parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion, hatte in einem Tweet geschrieben, wer »in gesetzlich legitimierten Gremien wirken möchte«, müsse auch »treu zu Verfassung und Rechtsstaat stehen«. Er fügte hinzu, Gewaltaufrufe und »pauschale Ablehnung von Abschiebungen« seien für die CDU inakzeptabel. AfD-Fraktionschef Jörg Urban unterstellte Nagel, sie wirke aktiv in der »gewaltausübenden Antifa« mit.

Ihre Fraktion hatte die Personalie verteidigt. Man lasse sich von der CDU nicht vorschreiben, wen man für das Gremium vorschlage, erklärte Fraktionschef Rico Gebhardt, der Nagel als »fachlich anerkannt, menschlich integer und demokratisch legitimiert« lobte. Die aus der Luft gegriffenen pauschalen Anwürfe der CDU nannte er »eine Frechheit«. Im Beirat dürften nicht nur Personen sitzen, die »den Abschiebeknast bejubeln«. Auch der sächsische Flüchtlingsrat betonte, Nagel sei eine »fähige und sachsenweit vernetzte Sachpolitikerin«. Ob die Fraktion an ihrer Nominierung festhalte, sei allerdings deren »autonome Entscheidung«.

Von einem Rückzug ist bislang nicht die Rede. Unklar ist aber auch, welche Möglichkeiten die Fraktion zur etwaigen Durchsetzung ihres Personalvorschlags erwägt. Nagel selbst merkt an, das »schwarz-blaue Abstimmungsbündnis« habe ein »äußerst schwieriges Dilemma« heraufbeschworen. Ähnlich sieht es der Flüchtlingsrat. Ein Gremium, das »qua Gesetz am Vollzug mitwirken muss«, sei bisher nicht konstituiert, sagte dessen Sprecher Mark Gärtner dem »nd«. Innenminister Roland Wöller (CDU) müsse die Ausländerbehörden aus dem Grund nun »selbstverständlich veranlassen, keine Haftanträge zu schreiben«.

Allerdings macht man sich beim Flüchtlingsrat ohnehin wenig Illusionen über die Wirksamkeit des Beirats. Es sei im Gesetz über den Vollzug der Abschiebehaft geregelt, dass nur der Beirat als Ganzes handeln könne, nicht dessen einzelne Mitglieder. Zu befürchten sei deshalb, dass etwa für Anfragen an die Anstaltsleitung oder das Innenministerium jeweils erst Mehrheiten organisiert werden müssten, sagt Gärtner. Das werde zudem erschwert durch die Aufstockung des Gremiums von sechs auf neun Mitglieder. Zu diesen gehören neben den drei Abgeordneten auch der sächsische Ausländerbeauftragte und ein Vertreter des Innenministeriums sowie der Stadt Dresden, außerdem von drei zivilgesellschaftlichen Institutionen. Eine kritische Haltung zur Abschiebepraxis und deren Vollzug mittels eines eigens eingerichteten Gefängnisses erkennt der Flüchtlingsrat augenscheinlich nicht bei allen von diesen. Der Beirat, erklärt er jedenfalls, sei »gewachsen und damit geschwächt worden«. Bisher ist er freilich noch nicht einmal arbeitsfähig.

Das Abschiebegefängnis dagegen ist seit Anfang Dezember betriebsbereit. Dafür war das frühere Technische Rathaus der Stadt Dresden umgebaut worden – für über elf Millionen Euro. Dort können 24 Häftlinge für bis zu sechs Monate in Abschiebehaft genommen werden; weitere 34 Plätze sind für Gewahrsam vorgesehen, der bis zu zehn Tage dauern kann. Der Betrieb der Einrichtung mit ihren 62 Mitarbeitern soll jährlich fünf Millionen Euro kosten. Das entsprechende Gesetz hatte der Landtag im Sommer mit den Stimmen von CDU und SPD beschlossen.

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