Zoff in der Reinickendorfer Linkspartei

Nach dem Rücktritt seiner Vorsitzenden sucht der Bezirksvorstand nach einen Weg, die streitenden Lager zu einen

  • Tim Zülch
  • Lesedauer: 3 Min.

An diesem Dienstag tritt der Reinickendorfer Bezirksvorstand der Berliner Linkspartei zu einer außerordentlichen Sitzung zusammen. Das Gremium will klären, warum die Bezirksvorsitzende Deniz Seyhun und zwei weitere Vorstandsmitglieder am 4. Dezember zurückgetreten sind, und wie es nun weitergehen soll. In einer im Internet veröffentlichten, kurz darauf wieder zurückgezogenen Erklärung hatten die drei Politiker hatten behauptet: »Der Bezirksvorstand war in den zwölf Monaten seit der Wahl nicht in der Lage, seine Verantwortung gemäß den demokratischen Grundsätzen unserer Partei wahrzunehmen.« Verantwortlich machten sie damals andere Vorstandsmitglieder.

Eigentlich könnte es ganz gut laufen für die Reinickendorfer LINKE: Erst vor kurzem wurde ein wichtiges politisches Ziel - ein erstes Milieuschutzgebiet in Reinickendorf - umgesetzt. Andere Themen, wie etwa eine gymnasiale Oberstufe für den Campus Hannah Höch, sind immer wieder in der öffentlichen Diskussion.

Doch seit fast zwei Jahren schwelt ein Streit im Bezirksverband, der die politische Arbeit lähmt. Eine Gruppe von Parteimitgliedern hatte die Wahl von Deniz Seyhun zur Bezirksvorsitzenden nicht akzeptiert. In einer kurz nach dem Rücktritt auf der Facebookseite des Bezirksverbandes veröffentlichten Erklärung dieser Gruppe werfen die Unterzeichner, unter ihnen Dana Saky und Servan Deniz (Referent des Abgeordneten Hakan Taş), dem anderen Lager gar »satzungswidriges Verhalten« vor. Man sei einer »Schmutzkampagne« durch die Bezirksvorsitzende und ihre Mitstreiter ausgesetzt gewesen, und eine Aufarbeitung des Konfliktes sei »immer wieder blockiert« worden. So sei Vertrauen zerstört worden. Deniz Seyhun sei nicht korrekt gewählt worden, da man im Vorfeld satzungswidrig »Neumitglieder aus anderen Bezirken in die Partei aufgenommen« habe. Doch obwohl die Erklärungen der Gruppe auf der offiziellen Facebookseite des Bezirksverbandes gelöscht wurden und sogar die gesamte Facebookseite deaktiviert wurde, waren die Erklärungen noch über andere Accounts zugänglich.

Von LINKE-Landeschefin Katina Schubert war kein Kommentar zu den Vorgängen zu erhalten, und auch die zurückgetretene Bezirksvorsitzende Seyhun schrieb auf Anfrage, dass sie sich zu den Vorfällen derzeit nicht äußern möchte. Auch Felix Lederle, Linksfraktionschef in der Bezirksverordnetenversammlung, ließ eine schriftliche Anfrage des »nd« unbeantwortet.

Klar ist, dass sich im Bezirksverband zwei Lager gebildet hatten, die um die Vorherrschaft im Bezirk streiten. Zwischenzeitlich wurde der Bezirksverband in »Nord« und »Süd« - jeweils sogar mit eigenständigen Facebook-Seiten - aufgeteilt.

Servan Deniz ist Vertreter und Sprecher des Bezirksverbandes »Reinickendorf Süd«. Dem »nd« sagt er, der Konflikt habe schon mit der Aufstellung der Fraktion - die erste LINKEN-Fraktion in Reinickendorf - begonnen. Damals seien Hoffnungen geweckt worden, die später nicht eingelöst wurden. Nach der aus seiner Sicht »satzungswidrigen« Vorstandswahl Ende 2017 sei er sehr enttäuscht gewesen. Als sich der Konflikt verschärfte, sei es nicht mehr möglich gewesen, politisch zu handeln. »Auch wenn wir über die Einrichtung einer Bushaltestelle gesprochen haben, kamen wir immer wieder auf den Konflikt.«

Nach Aussage von Deniz handelt es sich dabei aber nicht um einen politischen Konflikt, sondern um persönliche Verletzungen und darum, dass einige mit anderen »nicht können«. Auch wenn der Machtkampf in der Reinickendorfer LINKEN mit den Rücktritten erst mal entschieden scheint, sieht sich Deniz nicht als Sieger. »Wir bedauern die Rücktritte. Ich hoffe, dass wir wieder zueinander finden. Aber realistischerweise muss ich sagen: das ist unwahrscheinlich.«

Hakan Taş, Mitglied des Abgeordnetenhauses, wies den Vorwurf der Unterwanderung zurück. »Die beiden Gruppen kommen miteinander nicht klar. Es handelt sich nicht um Strömungskämpfe, und es findet auch keine Unterwanderung statt«, sagte er dem »nd« Er selbst sei aber nicht an dem Streit beteiligt, betonte Taş.

Zur Lösung des Konflikts werde der Landesverband, so hieß es, ein Schlichtungsverfahren vorschlagen. Landesvorsitzende Katina Schubert bestätigte nur, dass man mit einer Klärung des Streits befasst sei.

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