Gewerkschaft warnt: Erkennbares Risiko für die Demokratie

Polizisten mit rechtsextremen und fremdenfeindlichen Einstellungen? Die »Einzelfälle« nehmen nicht nur in Sachsen zu

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.

Oliver Malchow ist als Norddeutscher nicht für überbordende Gefühlsausbrüche bekannt. Der Nazi-Netzwerk-Skandal in der hessischen Polizei ging dem lang gedienten Hauptkommissar, der jüngst zum Chef der größten Polizeigewerkschaft GdP wiedergewählt wurde, aber richtig wider die Natur. Angesichts dessen verlangte er: »Wer rechtsextremes Gedankengut teilt, Ausländerhass propagiert, mit abstoßender Gewalt droht und polizeiliche Instrumente für seine Taten nutzt, hat in unserer fest auf dem Boden der Verfassung stehenden Polizei nichts verloren.«

Fest auf dem Boden der Verfassung? Sicher, das trifft für die große Mehrheit der Polizisten zu. Dennoch sah sich Malchow am Rande des Gewerkschaftskongresses Ende November zu der Warnung veranlasst, man möge nicht jenen nachlaufen, die nach Recht und Ordnung rufend, »gegen die Werte unserer Verfassung verstoßen«. Nun spricht Malchow sogar von einem erkennbaren Risiko, dass die Demokratie durch innere Zersetzungsprozesse in Gefahr geraten könne. Übertreibt er?

Kaum. Selbst der Kanzlerin schwant das. Im Zusammenhang mit Ermittlungen gegen den mutmaßlich rechtsterroristisch orientierten Bundeswehroffizier Franco A. war das Bundeskriminalamt auf ein militantes Netzwerk ehemaliger Soldaten und Polizisten gestoßen, das auf einen »Tag X« hintrainiert. Der Linksparteiabgeordnete André Hahn - er ist Mitglied im parlamentarischen Geheimdienst-Kontrollgremium - fragte daher jüngst die Kanzlerin, was die Regierung denn gegen solche Entwicklungen unternehme. Angela Merkels Antwort: »Es gibt leider Entwicklungen, die uns beunruhigen müssen.« Doch, so setzte sie fort: »Ich habe da volles Vertrauen in die Arbeit des Verfassungsschutzes.« Ob sie da nicht den Bock zum Gärtner macht? Man erinnert sich an das »Versagen« des Inlandsgeheimdienstes hinsichtlich des rechten Terrornetzwerks NSU.

Ist die von linken Kreisen vermutete Nähe zwischen Sicherheitsbehörden und Rechtsextremisten übertrieben? Nein, sagte Politikwissenschaftler Professor Hajo Funke gegenüber »nd«. Das zeige der jüngste Fall in Frankfurt am Main deutlich. Auch da brauchte die Polizei über vier Monate, um in den eigenen Reihen genauer nachzuschauen. Aber: »Wenn man wegsieht oder bagatellisiert, sollte man sich nicht beklagen, wenn das Vertrauen gegenüber der Polizei schwindet.« Funke erinnert an die jüngste Hetzjagd gegen Ausländer in Chemnitz. Warum hielt sich die Polizei sogar zurück, wenn der Hitlergruß gezeigt wurde? Offenbar war man nicht willens oder in der Lage, den Rechtsstaat angemessen zu sichern, meint Funke.

Dafür gibt es gerade in Sachsen überproportional viele Beispiele. Die Polizei in Bautzen sprach von »eventbetonten Jugendlichen«, als von Neonazis gelenkte Gruppen im September 2016 Ausländer jagten. Als die sächsische Polizei im Dezember 2017 einen neuen Panzerwagen bekam, entdeckten Journalisten in den Sitzbezügen ein nicht zufällig an Nazisymbole erinnerndes Logo. Das war vom Landeskriminalamt abgesegnet. In diesem Sommer hinderten Polizisten Journalisten an der Berichterstattung über eine Pegida-Veranstaltung, unternahmen aber nichts gegen einen Mann, der die Medienleute provozierte. Wie sich herausstellte, war der »Hutbürger« ein ziviler Mitarbeiter des LKA. Ein anderer Beamter dieser Behörde fand es offenbar witzig, in einer Einsatzliste als »Uwe Böhnhardt«, also mit dem Namen eines der NSU-Mörder, zu unterschreiben.

Doch ein auf Sachsen verengter Blick ist nicht hilfreich. Es gibt Vorfälle in Berlin, Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg. Offenbar sind sogar unter sogenannten Reichsbürgern - in deren Reihen Rechtsextreme mit Waffenschein agieren - Polizisten. Die Verdachtsfälle liegen laut vertraulichem Lagebild des Bundesinnenministeriums »im hohen zweistelligen Bereich«. Allein in Bayerns Polizei gebe es Disziplinarverfahren gegen elf mutmaßliche Reichsbürger. Bei der Bundespolizei waren im April diesen Jahres sieben.

Rechtsaußen- und fremdenfeindliche Einstellungen bei Polizisten seien zwar kein »systematisches Verhaltensmuster«, aber keineswegs Einzelfälle, heißt es in einer Studie von 1996, die die Innenministerkonferenz zur Kenntnis genommen hat. Obwohl es seither immer wieder Forderungen nach weiteren Untersuchungen gab, wurde das Thema nicht aufgenommen. Offenbar gibt auch ohne derartige Erkenntnisse bereits genügend schlechte Nachrichten.

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