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  • Bebauungsplan Ostkreuz

Ein neuer Plan soll her

Demonstranten fordern Umlenkungen bei Bauvorhaben in Berlin-Rummelsburg

  • Tim Zülch
  • Lesedauer: 3 Min.

Rund 700 Menschen zogen am Wochenende durch Lichtenberg und Friedrichshain, um gegen den Bebauungsplan Ostkreuz und den »Ausverkauf der Stadt« zu demonstrieren. Sie fürchten die Verdrängung kultureller Initiativen an der Rummelsburger Bucht und protestieren gegen den Neubau der Coral World des Investors Benjamin Kahn und hochpreisiger Neubauten.

Auch mehrere Dutzend Eltern und Kinder aus der Nachbarschaft protestierten mit. Sie machten auf die Überbelegung von Schulen der Umgebung aufmerksam und forderten den Neubau einer Schule zwischen Hauptstraße und Rummelsburger Bucht. »3200 Schulplätze fehlen in Lichtenberg seit Jahren«, sagte Claudia Engelmann, Vorsitzende des Bezirkselternausschusses. An der Friedrichsfelder Grundschule seien beispielsweise die 5. Klassen in eine anderthalb Kilometer entfernte andere Schule ausgelagert.

Im gesamten Neubaugebiet an der Lichtenberger Seite der Rummelsburger Bucht gebe es keine einzige Schule. Da dort aber viele Familien mit Kindern wohnten, müssten diese in die nahe gelegene Schule an der Viktoriastadt, die dadurch so überfüllt sei, dass Familien in direkter Nachbarschaft dort keinen Platz mehr bekämen. Sie müssten dann weite Wege zu anderen Schulen auf sich nehmen »Bei den Schulplätzen geht es teilweise zu, wie auf dem Viehmarkt«, empört sich Engelmann, das sei eine »makabere Situation«. Auch bei Kindergärten fehlten rund 2000 Plätze. Bisher ist im Bebauungsplan Ostkreuz keine Schule und nur eine kleine Kita mit 40 Plätzen vorgesehen.

»Wir brauchen ein ganz neues B-Plan-Verfahren«, ist sich Mitveranstalter der Demonstration, Florian Hackenberger, sicher. Er wohnt in Friedrichshain und organisiert bisher maßgeblich den Protest. Hackenberger ist zufrieden mit der Demo, ärgert sich aber über die Bezirkspolitik. »Für heute war eigentlich eine Infoveranstaltung zum Bebauungsplan geplant, darum haben wir die Demo für heute angemeldet. Aber die Veranstaltung wurde vom Bezirk kurzfristig abgesagt.«

Er hofft, dass der Senat das B-Plan-Verfahren übernimmt. »Der Bezirk hat sich in meinen Augen bisher gar nicht bewegt«. Auf Senatsebene allerdings habe er viele Politiker mit offenen Ohren für sein Anliegen getroffen. »Ich habe mit allen Abgeordnetenhausfraktionen außer der AfD geredet und selbst bei der CDU waren viele sehr offen für unsere Kritik«, so Hackenberger.

Die Demoroute führte über die Hauptstraße an der Rummelsburger Bucht und Markgrafendamm zur Warschauer Brücke, die meiste Zeit im Regen. Doch die Protestierenden ließen sich nicht entmutigen und riefen: »Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Räume klaut!«

Vor drei Häusern in der Hauptstraße machten sie auf den Immobilienbesitzer Giora Padovicz aufmerksam, der die Häuser für Neubauten abreißen will und gerade dem Friedrichshainer Hausprojekt Liebig34 eine Räumungsklage zugestellt hat. Auch andere bedrohte Projekte, wie die Potse und Drugstore in Schöneberg kamen zu Wort. Die Künstlerin Kim Sonntag kritisierte die zunehmende Vereinnahmung der Kunst durch profitorientierte Investoren.

Die beiden Lichtenbergerinnen Julia Sand und Anet Jünger hielten Schilder mit der Aufschrift »Keine Betonwüste« in die Luft. Sie fordern Genossenschaftsprojekte für das fragliche Gebiet. In den 1990er Jahren hatten sie selbst mit städtischer Förderung ihre Häuser kaufen können und in Selbsthilfe saniert. »Das hat unglaublich gut funktioniert und ist auch ein Modell für heute«, sind sie sich einig. Von Bezirksstadträtin Birgit Monteiro (SPD) sind sie enttäuscht und sprechen von einer »verlogenen Politik«.

Hackenberger und seine Mitstreiter haben nun einen eigenen B-Plan entworfen, den sie in den nächsten Wochen öffentlich vorstellen wollen. »Da gibt es auch ein Sondergebiet alternative Wohnformen und einen Bildungscampus, der an die bestehende Kita angedockt ist.« Hackenberger ist optimistisch: »Ich sehe sehr gute Chancen, dass sich was bewegt«, sagt Hackenberger dem »nd«. Bezirksbürgermeister Michael Grunst (LINKE) soll inzwischen dem Vernehmen nach zugesichert haben, keinen B-Plan beschließen zu lassen, ohne dass die Schulfrage gelöst sei.

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