Falsche Firma

Das Bundesamt für Verfassungsschutz taugt nicht für den Kampf gegen die AfD, meint Georg Fülberth

  • Georg Fülberth
  • Lesedauer: 4 Min.

Die »Alternative für Deutschland« (AfD) ist eine nationalistische, marktradikale und rassistische Partei. Zu faschistischen Bewegungen und Personen verhält sie sich wie der Hehler zum Stehler. Ob sie populistisch ist, ließe sich erst sagen, wenn jemand endlich einmal erklärte, was das - bezogen auf die Bundesrepublik - denn sein soll: Populismus. Definiert man ihn als Mobilisierung von Volksmassen durch rechte oder linke Führer gegen irgendwelche Eliten, ist schlecht ersichtlich, was daran verfassungswidrig sein soll. Identifiziert man dagegen Populismus mit übler Demagogie, sollte man sich an Äußerungen von Franz Josef Strauß (CSU) und Gerhard Schröder (SPD) erinnern. Der eine beschimpfte 1978 Oppositionelle als »Ratten und Schmeißfliegen«, der andere nannte 1995 Lehrer »faule Säcke« und forderte 1997: »Kriminelle Ausländer müssen raus, aber schnell.«

Artikel 3 des Grundgesetzes verbietet Rassismus. Und Alexander Gauland, der eine sozialdemokratische Politikerin türkischer Abkunft in Anatolien »entsorgen« will, ist ein Rassist. Um das festzustellen, braucht man keinen Geheimdienst. Es genügt ein Blick in die Zeitung.

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Dennoch erklärt nun das Bundesamt für Verfassungsschutz die AfD als Ganzes zum »Prüf-«, Teile der Partei zum »Verdachts-Fall«. Warum?

Gauland, der fast immer Unrecht hat, liegt jetzt einmal ausnahmsweise richtig: Es handelt sich um einen Fall von Wettbewerbsverzerrung.

Thomas Haldenwang, der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, ist, wie sein Vorgänger Hans-Georg Maaßen, Mitglied der CDU. Er hat den Prüf- und Verdachtsbeschluss verkündet und fand dafür den Beifall des Innenministers Horst Seehofer (CSU). Andrea Nahles, Vorsitzende der SPD, begrüßte die Nachricht ebenfalls und erzählte das Übliche von der »wehrhaften Demokratie«.

Nicht nur ein Prüf-, sondern ein Verdachtsfall ist für Thomas Haldenwang die AfD-Nachwuchsorganisation »Junge Alternative« (JA). Schon früher, als sich ankündigte, dass eine geheimdienstliche Beobachtung drohen könnte, gab es dort Austrittsbewegungen. Offensichtlich haben einige Scheitelträger die JA als eine Karriereleiter verstanden - wie die Jugendorganisationen anderer Parteien ebenfalls. Auch hier gilt: Wettbewerbsverzerrung. Andere, von der härteren Art, mögen sich stattdessen in den Untergrund verabschieden, woran sich wieder einmal zeigen ließe: Wo der Verfassungsschutz hinfasst, wird es immer nur schlimmer.

Von Christian Lindner (FDP) gilt ohne Ansehen der Person dasselbe wie für Gauland - wo er Recht hat, hat er Recht. Nämlich: »Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass die Parteien sich einer lästigen Konkurrenz über den Umweg über die Sicherheitsbehörden entledigen.« Auch diese Vernunft lässt sich durch Wettbewerbskalkül erklären: Zwischen dem Klientel der AfD und dem der FDP gibt es - anders als bei Union und SPD - keine relevante Schnittmenge.

Das hätten sich auch die Grünen Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir sagen können, die dem Verfassungsschutz ebenfalls applaudierten. Ihnen ging es wohl um ein allgemeines antifaschistisches Signal wie dem Internationalen Auschwitzkomitee und dem Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster. Sie sind auch für die Überwachung.

Hier könnte der Irrtum eine Rolle spielen, der Inlandsgeheimdienst diene der Verteidigung der Demokratie. Das Bundesamt für Verfassungsschutz wurde 1950 ebenso wie die entsprechenden Landesämter nicht zur Bekämpfung des Faschismus gegründet, sondern des Kommunismus, stand also auf diesem Teilgebiet in der Tradition der Gestapo. Sein von 1950 bis 1954 amtierender erster Präsident, der Widerstandskämpfer Otto John, war insofern eine Fehlbesetzung. Eine große Zeit hatten Bundesamt und Landesämter bei ihrer Schnüffelarbeit zwecks Berufsverboten gegen kommunistische Lehrer(innen), Lokomotivführer und Briefträger. Seine V-Leute taten der NPD gute Dienste. Deren Handgelder dürften teilweise in die Parteikasse geflossen sein. Im Umfeld der NSU-Morde waren staatlich installierte Maulwürfe ebenfalls tätig. Maaßen sah keine Hetzjagd in Chemnitz.

Auch wenn die AfD jetzt ein wenig jammert: Vielleicht nützt ihr die gegenwärtige Überprüfung irgendwann - falls sie einmal Persilscheine benötigen sollte. Für einen Kampf gegen Rechts ist das Bundesamt für Verfassungsschutz die falsche Firma.

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