Piep, piep, piep, Söder hat alle lieb

Der neue CSU-Vorsitzende will zur CDU halten und sogar Migranten eine Heimat geben

  • Johannes Hartl
  • Lesedauer: 4 Min.

Der Stabwechsel ist geglückt. Mit 87,42 Prozent wurde Markus Söder am Samstag zum neuen Parteivorsitzenden der CSU gewählt, als die Konservativen in München zum Sonderparteitag zusammengekommen sind. Damit blieb er unter den erwarteten 90 Prozent. Der 52-jährige Franke tritt damit in die Fußstapfen von Horst Seehofer, der die Partei mehr als zehn Jahre geführt hat und nun zum Ehrenvorsitzenden gewählt wurde. Nach anfänglichen Erfolgen, als er 2013 die absolute Mehrheit zurückerobert hatte, war Seehofer zuletzt immer stärker unter Druck geraten. Vor allem seine Rolle beim unionsinternen Streit um die Asylpolitik wurde zunehmend als taktisch unklug bewertet; ihr wird ein wesentlicher Anteil am desaströsen Wahlergebnis bei den Landtagswahlen 2018 zugeschrieben.

Der Parteitag sollte deshalb demonstrative Geschlossenheit und Harmonie ausstrahlen. Die Botschaft war klar: CDU und CSU mögen sich nicht immer einig sein, sind aber untrennbar miteinander verbunden. In seiner Bewerbungsrede sprach sich Söder sogar für eine »neue Zusammenarbeit« aus. Die CSU werde natürlich spezifische bayerische Positionen einbringen, schließlich sei man mehr als ein Landesverband der CDU. Doch es solle eine »neue Form, ein neues Kapitel« anbrechen. »Wir wollen ein Profil mit Stil«, brachte Söder seine Haltung auf den Punkt. »Denn es ist Zeit für eine neue gemeinsame Stärke von CDU und CSU.«

Mit Blick auf die letzte Landtagswahl, als die CSU auf 37,2 Prozent abgerutscht war, äußerte er milde Selbstkritik. Das Ergebnis dürfe nicht einfach abgehakt werden, betonte Söder und versprach eine genaue Analyse. Vieles sei damals falsch gelaufen - teils in Berlin, teils auch in Bayern. Allgemein ließen sich zwei Gründe für die Schlappe anführen, die immerhin fast 10 Prozent gekostet hatte, erklärte Söder: Einerseits der Aufstieg der AfD, andererseits der Erfolg der Grünen. Besonders Letztere hätten einen Höhenflug erlebt, auch wegen des schlechten Erscheinungsbildes der Koalition in Berlin und »manchen Fehlern« in Bayern.

Als neuer Parteichef wolle Söder verstärkt auf jene Menschen zugehen, die man an die Grünen verloren habe. Über die Jahre hätten sich die Sichtweisen im Land verändert; es seien viele Menschen aus anderen Teilen Deutschland zugezogen, die die CSU kaum erreiche. Für diese Zielgruppe werde man sich stärker öffnen, versprach er und betonte: »Ich bin nicht bereit, München und andere Städte dauerhaft den Grünen zu überlassen.« Selbst für Migranten gab es diesmal überraschend warme Worte: »Lass uns die auch ansprechen, lasst uns ihnen auch eine Heimat geben«, forderte Söder. Wer Bayer sei, bestimme sich durch Einstellung und Überzeugung - nicht durch die Geburt.

Politisch habe er das Ziel, die drei Wurzeln der Partei - die konservativen, sozialen und liberalen - wieder zu vereinen. Sie müssten sich in »gleicher und gleichberechtigter Weise« wiederfinden, das gehöre zum politischen Kanon der CSU. Dafür stellt er die Konservativen auf fünf Ebenen auf: als christliche Partei, als Partei der sozialen Verantwortung, als Partei der sozialen Marktwirtschaft und der Leistungsakzeptanz, als Partei der Sicherheit und als Partei, die bayerisches Erbe bewahren wolle. Das ist eine große Umarmung aller Parteiflügel, ganz im Sinne der allgemeinen Harmonie, die mit diesem Konzept ihren vorläufigen Höhepunkt fand. Die dafür nötigen Veränderungen seien aber nicht sofort erreichbar, die Erneuerung brauche ihre Zeit. »Das ist kein Sprint, sondern ein Marathon«, dämpfte Söder die Erwartungen. »Wir brauchen Geduld, und wir brauchen den Willen zur Gemeinsamkeit.« Das fand auch bei der neuen CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer volle Unterstützung, als sie nach den Wahlen ein Grußwort sprach. Von den Delegierten wurde sie mit Applaus empfangen, so wie es die neue Geschlossenheit fordert. »Wir sind Schwestern, keine eineiigen Zwillinge«, sagte sie über das Verhältnis der beiden Parteien. Man streite untereinander, aber wenn »die aus der Nachbarschaft kommen«, halte man zusammen. »Wir wollen uns gegenseitig stärken.«

Ob das ausreicht, um die CSU zu alter Stärke zurückzuführen und das unionsinterne Verhältnis zu kitten, wird sich im Laufe der Zeit herausstellen. So viel aber steht fest: Schöne Worte allein werden kaum ausreichen, zumal Söder bei vielen Punkten äußerst vage blieb. Spannend wird dann die Frage, wie kompromissbereit die CSU beim Erschließen neuer Wählerschaften tatsächlich ist, vor allem wenn es ans Eingemachte geht. Das Treffen endete aufgrund mangelnder Beschlussfähigkeit nach fünf Stunden, da die meisten Delegierten bereits gegangen waren.

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