Ungenutzter Wind an Nord- und Ostsee

In Schleswig-Holstein stockt der Ausbau der Windenergie. DGB kritisiert, dass Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen

  • Dieter Hanisch, Kiel
  • Lesedauer: 3 Min.

Die auf der Stelle tretende Planung bei der Ausweisung von Windenergieflächen in Schleswig-Holstein bereitet der Windkraftbranche im Land große Sorgen. Auch nach Aussage des Deutschen Gewerkschaftsbunds stehen viele der derzeit rund 12 000 Arbeitsplätze auf dem Spiel. Am Mittwoch wird im Kieler Landtag dazu im Rahmen einer von der SPD beantragten Aktuellen Stunde ein politischer Schlagabtausch erwartet.

In der Landesregierung ist man stolz auf die bereits seit dem Jahr 2012 kreierte Namensschöpfung Energiewendeministerium. Doch nun könnte die besagte Energiewende am nördlichsten Bundesland komplett vorbeiziehen. Das zumindest befürchtet Uwe Polkaehn, Chef vom DGB Nord. Verantwortlich dafür ist im Jamaika-Kabinett von Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) das Innenministerium, das sich um die Landesentwicklungsplanung kümmert. Dessen Staatssekretärin Kristina Herbst (CDU) hat nun mitgeteilt, dass das bereits seit dem Jahr 2015 von der SPD-geführten Vorgängerregierung verhängte Genehmigungsmoratorium für neue Anlagen um ein weiteres Jahr verlängert wird. Seit Moratoriumsbeginn dürfen Windanlagen nur noch mit Ausnahmegenehmigungen gebaut werden. Davon gab es bisher 427, im vergangenen Jahr allerdings auch nur noch 44. Das Moratorium und die parallel laufende neue Landesplanung waren notwendig geworden, weil das Oberverwaltungsgericht in Schleswig im Januar 2015 die Teilfortschreibung bestehender Regionalpläne für unwirksam erklärte.

Das Ziel der Günther-Regierung bleibt, die Onshore-Windenergieerzeugung auszubauen. Dafür sollen auf zwei Prozent der Landesfläche geeignete Gebiete ausgewiesen werden. Über die Eignung tobt aber seit langem ein heftiger Streit, der bereits Wahlkampfthema bei der vergangenen Landtagswahl gewesen ist. Windanlagengegner fordern einen gebührenden Abstand der Windräder zu Wohnimmobilien und Siedlungen. Umweltverbände wiederum mahnen Tierschutzbelange an. Umweltschützer meinten zuletzt sogar, dass aus Rücksicht vor Abstandsregelungen gegenüber Wohnbebauung die Naturschutzkriterien aufgeweicht worden sind.

Als Reaktion auf einen Entwurf der Regionalplanung gab es nach einer zweiten Anhörung im Rahmen der Bürgerbeteiligung 5200 Stellungnahmen und Einwendungen. Diese werden nunmehr in einen weiteren Planentwurf eingearbeitet, um so viel Akzeptanz wie möglich in der Bevölkerung herzustellen. Für diese Tätigkeit sind 13 Mitarbeiter in einer Projektgruppe Windkraft innerhalb der Landesplanung abgestellt. Ferner sind noch drei externe Planungsbüros involviert. Die mitregierende FDP versteht die Aufregung nicht. Gründlichkeit müsse vor Schnelligkeit gehen, meinen die Freidemokraten.

Die Grünen tragen aus Koalitions-Raison die Vorgehensweise des CDU-geführten Innenministeriums mit. Allerdings sind sie unglücklich darüber, dass ein neuer Planentwurf erst zum Ende des Jahres vorliegen dürfte. Dieser wiederum soll eine abermalige Anhörungsphase einleiten, sodass frühestens im Sommer 2020 eine erste Lesung im Landtag auf die Tagesordnung kommen kann. Als eine Lehre daraus fordert die Partei, dass Klimaschutz als Ziel in die Landesverfassung aufgenommen wird und dann juristisch einklagbar wäre.

Der Bundesverband Windenergie und der DGB bedauern die an den Tag gelegte Planungsgeschwindigkeit und fordern einmütig, die Zahl der Ausnahmegenehmigungen für neue Windanlagen-Standorte deutlich zu erhöhen. Der Südschleswigsche Wählerverband (SSW) als Partei der dänischen Minderheit zeigte sich ebenfalls enttäuscht. Der SSW-Vorwurf: »Jamaika« verspiele Schleswig-Holsteins Vorreiterrolle bei der Windenergieerzeugung.

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