Museen in Paris und Berlin wollen Zusammenarbeit bei Restitution

Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz und das Museum Quai Branly beziehen Stellung zur Rückgabe geraubter Kunstobjekte

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Paris/Berlin. Die Berliner Stiftung Preußischer Kulturbesitz und das Pariser Museum Quai Branly setzten bei der Auseinandersetzung um die Rückgabe von kolonialer Raubkunst auf Zusammenarbeit. »Die Situation beider Länder ist vergleichbar«, sagte Stiftungs-Präsident Hermann Parzinger nach einem Treffen mit seinem Kollegen Stéphane Martin in Paris der Deutschen Presse-Agentur. »Natürlich kann jedes Land selbst entscheiden und es gibt vielleicht auch unterschiedliche Perspektiven. Aber es wäre besser, eine gemeinsame Position zu entwickeln, in der die Erfahrungen der Museumsexperten berücksichtigt werden.«

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Grundlage für die geplante Rückgabe der Raubkunst ist auch ein Bericht der Wissenschaftler*innen Felwine Sarr und Bénédicte Savoy für Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, in dem eine umfassende Restitution gefordert wird. Macron hatte vor etwa einem Jahr versprochen, während der Kolonialzeit geraubte Kunstobjekte innerhalb von fünf Jahren zeitweilig oder vollständig an ihre afrikanischen Herkunftsländer zurück zu geben.

Bei vielen Museen und Experten stoßen Bericht und Forderungen nach radikaler Rückgabe auch auf Kritik. »Natürlich ist es legitim, auf die afrikanische Kunst einen historischen, postkolonialen und ideologischen Blick zu werfen und über das koloniale Joch zu debattieren, das Afrika erdulden musste, sowie über den Verlust seiner Identität und Kultur«, sagte Martin. Doch es gehe auch um das Problem der kulturellen Verbreitung. »Was kann man tun, damit junge Afrikaner nicht nach Berlin oder Paris müssen, um in den Museen ihre eigene Kultur zu sehen?«

Parzinger und Martin verwiesen auf intensive Zusammenarbeit mit den Herkunftsländern. »Es geht nicht darum, wer schneller ist mit Restitutionen. Die Frage ist vielmehr, welches die richtigen Wege sind und dafür braucht es einen Austausch von Sichtweisen und Erfahrungen«, sagte Parzinger. Martin plädierte für »eine gemeinsame Politik auf Museumsebene und eine Ausweitung der kulturellen Geografie«. Dabei sollten die Beteiligten durch Kooperationen in den Ländern »über die Frage der Erinnerungskultur hinausgehen«.

Der Pariser Museumschef verwies auf bestehende Projekte: »Gabun will ein Museum gründen und ist mit dem Wunsch um Expertise an uns herangetreten. Die geografische kulturelle Erweiterung geht zügig voran.« Für Parzinger bedeutet Dekolonisierung nicht einfach nur,
dass ein Museum etwas zurückgibt, sondern auch den Ursprungsgemeinschaften eine Stimme zu geben. Unterstützung könne gegeben werden etwa bei technischen Einrichtungen. »Hier ließen sich mit überschaubaren finanziellen Mitteln kurzfristig enorm wichtige und vor allem nachhaltige Strukturen schaffen, die Schulung von Spezialisten oder Restauratoren eingeschlossen«, sagte Parzinger.

Eine besondere Rolle messen beide Präsidenten den Museen auch an ihren Standorten in Europa zu. »Das Quai Branly hat in den 13 Jahren seines Bestehens die Perspektive nicht-westlicher Kulturen grundlegend verändert«, sagte Martin. In dem Museum befinden sich etwa 70.000 der 90.000 Werke aus Afrika südlich der Sahara, die sich Frankreich während der Kolonialzeit aneignete.

Parzinger sprach von einer großen Chance für das in Berlin geplante Humboldt Forum: »Der immer wieder vorgebrachte und gleichzeitig hinterfragte Dialog der Kulturen im Humboldt Forum hat nun ein Thema, eine wirkliche Debatte, die auf großes Interesse stößt.« Auf die
zunehmende Aktualität der deutschen Kolonialgeschichte müsse das Forum reagieren »und es wird darauf reagieren« Die Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy war 2017 aus dem Stiftungsbeirat des Humboldt Forums ausgetreten und hatte die Forderung formuliert: »Ich will wissen, wieviel Blut von einem Kunstwerk tropft«. dpa/nd

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