Belohnungen für Selbstverständlichkeiten

Simon Poelchau findet es schräg, dass Unternehmen Steuererleichterungen für Forschungsausgaben bekommen sollen

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 3 Min.

Es gibt Sachen, die sind eigentlich selbstverständlich: Das man morgens aufsteht, wenn der Wecker klingelt, pünktlich auf der Arbeit ist, diese auch erledigt und nicht schon nach der Mittagspause wieder geht und den Rest die Kolleg*innen machen lässt. Kurz: dass man seinen Job macht. Zumindest verlangen Unternehmen von ihren Angestellten, solche Sachen als Selbstverständlichkeiten anzusehen. Nur selber fällt es ihnen offenbar schwer, selbstverständliches zu erledigen.

Schließlich ist derzeit viel davon die Rede, wie die Politik ihnen unter die Arme greifen könne, damit sie schön »wettbewerbsfähig«, das heißt für ihre Eigentümer profitabel, bleiben. Besonders häufig fällt da die Forderung nach Steuererleichterungen für Forschung und Entwicklung, wie sie auch schon von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) ins Gespräch gebracht wurden. Nun legte die Inkarnation des hiesigen Industriekapitals in Form des Industrieverbandes BDI nach. »Eine steuerliche Forschungsförderung kann nur dann eine effiziente Wirkung entfalten, wenn diese nicht auf Unternehmen einer bestimmten Größenordnung (KMU) beschränkt ist, sondern allen Unternehmen zugänglich ist«, fordern die Lobbyisten in einer Stellungnahme.

Dabei fragt man sich, warum Konzerne eine Belohnung vom Staat dafür bekommen sollen, dass sie etwas Selbstverständliches machen: Sich nämlich um ihre eigene Zukunft kümmern. Schließlich ist Forschung und Entwicklung nichts anderes, als nach neuen Produkten zu suchen, die man als Unternehmen noch in 10, 20 Jahren verkaufen kann. Die Konzerne dafür mit Steuergeschenken zu belohnen, ist ungefähr so, wie wenn einem der Chef ein Bonus fürs Pünktlich-Kommen zahlt.

Zumal es den deutschen Konzernen ziemlich peinlich sein sollte, solche »Anreize« anzunehmen. Schließlich galt »Made in Germany« ja einmal als Beweis für die angeblich so herausragende deutsche Industriekunst. Anderseits, war da ja noch etwas mit der deutschen Schlüsselindustrie, der Autobranche. Irgendwie schafft sie es nicht, ihre eigenen Abgasangaben einzuhalten und schummelt stattdessen lieber. Nun hat sie es auch verpasst, frühzeitig genug in Elektromobilität zu investieren, weshalb die Autohersteller anderer Länder bereits viel weiter bei dieser Technologie sind.

Auch hier verspricht die Politik jetzt eine Belohnung, damit die Konzerne eigentlich selbstverständliches leisten. So spricht sich Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) für eine Unterstützung der Autoindustrie beim Einstieg in die E-Mobilität aus. Die hiesigen Konzernchefs sollten also froh sein, solch verständnisvolle Regierungspolitiker zu haben. Wäre das hiesige Verhältnis zwischen Politik und Konzernen ein Angestelltenverhältnis und die Politiker die Chefs, dann wäre die Autobranche schon längst entlassen worden. Dass dies nicht so ist, sagt alles über das Verhältnis von Politik und Wirtschaft aus.

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