Fake News aus Ungarn

EU-Kommission protestiert gegen Anti-Juncker-Kampagne

  • Felix Jaitner
  • Lesedauer: 3 Min.

Jean-Claude Juncker fordert den Ausschluss der ungarischen Regierungspartei Fidesz aus der Europäischen Volkspartei (EVP). Bei einer Podiumsdiskussion im baden-württembergischen Landtag sagte der EU-Kommissionspräsident am Dienstag: »Es gibt zwischen Herrn Orban und mir keinerlei Schnittmengen.« Daher sei er der Meinung, »dass sein Platz nicht in der Europäischen Volkspartei ist«.

Damit reagiert Juncker auf die Medienkampagne der ungarischen Regierung, die ihm und dem US-Milliardär George Soros vorwirft, illegale Einwanderung zu fördern. Am Montag präsentierte die ungarische Regierung Plakate mit den beiden, auf denen geschrieben steht: »Auch Sie haben ein Recht zu wissen, was Brüssel vorhat.« Des Weiteren heißt es: »Sie wollen die verpflichtende Ansiedlungsquote einführen. Sie wollen das Recht der Mitgliedsstaaten auf Grenzschutz schwächen. Mit Migrantenvisa wollen sie die Einwanderung erleichtern.«

Die Flüchtlingspolitik ist eines der großen Streitthemen zwischen Ungarn und der EU. Nach Ansicht der Orban-Regierung unternehme die EU keine ausreichenden Schritte zum Schutz der Außengrenzen des Staatenbundes und fördere die Einwanderung aus Drittstaaten. Bis heute weigert sich Budapest, Asylbewerber aus anderen EU-Staaten aufzunehmen, und schottet das eigene Land durch einen Zaun an der Grenze zu Serbien und Kroatien systematisch ab. »Brüssel will weiterhin illegale Einwanderung unterstützen«, verteidigte Regierungssprecher Zoltan Kovacs vor Reportern in Budapest die neue Kampagne. »Die Ungarn müssen darüber Bescheid wissen, deswegen ist die jüngste Informationskampagne gestartet worden«, fügte er hinzu. Die Aktion sei nicht Teil des bevorstehenden EU-Wahlkampfs.

Dabei ist die Aufnahme von Flüchtlingen aus anderen EU-Mitgliedsstaaten keine Pflicht. Ein Sprecher der EU kommentierte die Anschuldigungen der ungarischen Regierung mit den Worten: »Mitgliedsstaaten entscheiden, bis zu welchem Level sie legale Migration akzeptieren wollen.« Zudem sitze Ungarn bei den Verhandlungen der EU stets mit am Tisch. »Ungarn verdienen Fakten, keine Fiktion«, sagte er.

Das Vorgehen von Budapest verschärft die Spannungen zwischen der EU und den osteuropäischen Rechtsregierungen. Sie sehen in der Flüchtlingspolitik einen Ausdruck der Dominanz des EU-Zentrums und der großen Mitgliedsstaaten gegenüber der Peripherie. Die Politisierung der Flüchtlingsfrage begreifen die Rechtsregierungen als Chance, die Mehrheitsverhältnisse in der Union zu ihren Gunsten zu verändern. So erklärte Ungarns Außenminister Péter Szijjártó dem Nachrichtenkanal Euronews: »Unser Ziel ist es, dass nach den Europa-Parlamentswahlen der Anti-Migrationshaltung die Mehrheit in ganz Europa sein wird.«

Obwohl auf EU-Ebene bereits seit einigen Jahren eine restriktive Flüchtlingspolitik verfolgt wird, treiben die Rechtsparteien die sogenannte bürgerliche Mitte weiter vor sich her. In Österreich oder Deutschland haben die konservativen Parteien Forderungen nach einer Verschärfung des Asylrechts und des militärischen Schutzes der EU-Außengrenzen weitgehend übernommen. Die EU-Kommission hat diese Politik aktiv mit umgesetzt. Dementsprechend hilflos wirkt Junckers Kritik an der ungarischen Kampagne. »Gegen Lügen kann man nicht viel machen«, sagte er.

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