Rechte torpedieren Klimaschutz

Eine Studie durchleuchtet die Positionen von EU-Rechtspopulisten zur Erderwärmung

  • Sandra Kirchner
  • Lesedauer: 4 Min.

Abgeordnete rechter und rechtspopulistischer Parteien im EU-Parlament sind meist gegen Klimaschutz. Zwei von drei Vertretern dieser Parteien stimmen regelmäßig gegen klima- und energiepolitische Maßnahmen. Das ergibt eine Studie der Denkfabrik Adelphi, die am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde. Für die Studie wurden Wahlprogramme sowie Statements der Parteien und das Abstimmungsverhalten der Abgeordneten ausgewertet. Demnach kommt die Hälfte aller Gegenstimmen bei Resolutionen zu Klima und Energie im Europaparlament aus dem rechtspopulistischen Parteienspektrum.

Nicht alle rechten oder rechtspopulistischen Parteien leugnen per se den Klimawandel, ihre Haltungen zu wissenschaftlichen Fakten variieren. Drei unterschiedliche Auffassungen fanden die Studienautoren zum Klimawandel: Sieben Parteien am rechten Flügel streiten wissenschaftliche Erkenntnisse schlichtweg ab und leugnen den menschengemachten Klimawandel. Darunter die AfD, die den Klimawandel als Irrlehre bezeichnet. Als etwas weniger radikal stufen die Studienautoren die österreichische FPÖ ein, die den Klimawandel als »Propaganda« oder »Klimareligion« bezeichnet. Ähnliche klimawandelleugnerische Positionen finden sich bei der britischen UKIP, der Dänischen Volkspartei, der Estnischen Konservativen Volkspartei, den Schwedendemokraten und der von dem niederländischen Rechtspopulisten Geert Wilders gegründeten PVV.

Weitere elf Parteien haben keine konsistente Haltung zum Klimawandel oder messen dem Politikfeld weniger Bedeutung zu als anderen. »Diese Parteien leugnen den Klimawandel nicht direkt, ihre Aussagen sind viel subtiler«, sagt Studienautorin Stella Schaller und verweist auf die ultrarechte Politikerin Marine Le Pen vom französischen Rassemblement National (früher Front National), die ungeachtet aller wissenschaftlicher Belege mit Aussagen wie »Ich weiß nicht, ob der Mensch zum Klimawandel beiträgt« auffällt. Auch die polnische Regierungspartei PiS, die sich zwar als »Pro-Kohle-Partei« bezeichnet, aber die klimawissenschaftlichen Erkenntnisse nicht bestreitet, fällt in diese Gruppe. Drei Parteien, nämlich die finnische PS, die ungarische Fidesz und die lettische »Nationale Allianz«, bejahen zwar den wissenschaftlichen Mainstream zum Klimawandel. Im EU-Parlament stimmen sie dennoch häufig gegen umwelt- und klimapolitische Maßnahmen.

Zwar fallen die rechtspopulistischen EU-Abgeordneten mit klimawandelleugnerischen Aussagen in Brüssel und Straßburg schon heute auf, aber ihr Einfluss auf die Klimapolitik in der EU ist begrenzt. Doch das könnte sich ändern. Bei der Europawahl im Mai werden laut Eurobarometer rechte und euroskeptische Parteien mehr als 22 Prozent erlangen.

Bislang sind die rechtspopulistischen Parteien im europäischen Parlament in fünf unterschiedlichen Fraktionen vertreten. Beobachter rechnen damit, dass sich die Neuen Rechten künftig besser vernetzen werden. Ob sie sich zu einer Fraktion zusammenschließen, ist aber ungewiss. Zu groß sind die Unterschiede zwischen den einzelnen Parteien.

Doch auch wenn die populistischen Parteien zersplittert bleiben, je mehr Abgeordnete rechter oder rechtspopulistischer Parteien ins EU-Parlament einziehen, umso größer ist ihr Einfluss auf parlamentarische Mitwirkungsrechte und umso schwieriger wird ambitionierte Klimaschutzpolitik durchzusetzen sein.

Nach der Wahl stehen wegweisende Entscheidungen an: Der langfristige Haushaltsplan der EU, der von 2021 bis 2027 gelten soll, muss beschlossen werden, ebenso wie die gemeinsame Agrarpolitik nach 2020. Dabei wird festgelegt, wie viel Geld die EU für Klimaschutzmaßnahmen künftig ausgeben will. Eigentlich wollte die Kommission ein Viertel ihrer Gesamtmittel ab 2021 für den Klimaschutz ausgeben. Das ließe sich mit dem Erstarken der Rechtspopulisten schwerer durchsetzen.

Schon heute sitzen Rechtspopulisten und Rechte in sieben EU-Mitgliedsstaaten in der Regierung. Weil die Mitgliedsstaaten über den Ministerrat direkt an der Gesetzgebung der EU beteiligt sind, wächst der Einfluss der Rechtspopulisten auf die Klima- und Energiepolitik. Adelphi-Mitbegründer Alexander Carius, der an der Studie beteiligt war, befürchtet, dass sich auch demokratische Parteien bei den populistischen Argumenten bedienen. »Dann kommt es zu einem Rechtsruck in Europa«, warnt Carius. Das habe man bereits bei der Migrationsdebatte gesehen. »Die Zukunft der europäischen Klima- und Energiepolitik wird im demokratischen Zentrum entschieden und nicht am rechten Rand.«

Deshalb müsse sich die Art der politischen Auseinandersetzung ändern, fordert Carius. »Der Klimapolitik fehlt ein positives Narrativ.« Derzeit dominierten die alarmierenden Warnungen, das Darstellen von Horrorszenarien und schwer greifbare CO2-Budgets. Diese Art der Kommunikation biete den Populisten viel Angriffsfläche. Stattdessen müsse eine europäische Erfolgsgeschichte der Klimapolitik erzählt werden, von einer Zukunft mit regenerativen Energien und einer Modernisierung ohne fossilen Energien.

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