Medien dürfen AfD weiter als »Prüffall« bezeichnen

Presserechtler Gostomzyk: Urteil ändert nichts an der Berichterstattung / Unionsfraktionsvize Frei fordert Überprüfung des Kölner Richterentscheides

  • Lesedauer: 3 Min.

Dortmund. Die Entscheidung des Kölner Verwaltungsgerichts, wonach der Verfassungsschutz die AfD nicht als »Prüffall« bezeichnen darf, hat keine Konsequenzen für die journalistische Berichterstattung. Journalisten dürften die AfD weiterhin als »Prüffall« bezeichnen, sagte der Medienrechtler Tobias Gostomzyk von der Technischen Universität Dortmund am Mittwoch dem Evangelischen Pressedienst (epd). Für sie gälten weiterhin die Standards des Äußerungsrechts, die je nach konkreter Verwendung des Begriffs im Einzelfall zu prüfen seien. »Ein grundsätzliches Verbot der Verwendung des Begriffs 'Prüffall' durch Journalisten besteht indes nicht.«

Dem Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln im Eilverfahren hätten formaljuristische Erwägungen zugrunde gelegen, erläuterte Gostomzyk. »Demnach fehlte für die Pressearbeit des Verfassungsschutzes eine konkrete gesetzliche Ermächtigung, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ausdrücklich erforderlich ist.« Bereits deswegen sei die durch das Bundesamt für Verfassungsschutz gewählte Bezeichnung als »Prüffall« rechtswidrig gewesen. »Anders als Behörden benötigen dagegen Journalisten gerade keine ausdrückliche rechtliche Erlaubnis, um berichten zu dürfen«, sagte der Medienrechtler. Deswegen sei die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln nicht übertragbar.

Selbstverständlich dürfe auch über die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln ohne Einschränkung berichtet werden, betonte Gostomzyk. »Dabei darf die Formulierung 'Prüffall' verwendet werden, um zu verdeutlichen, worin der Stein des Anstoßes besteht.«

Das Verwaltungsgericht Köln hatte am Dienstag einem Eilantrag der AfD stattgegeben. Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf die Partei demnach nicht als »Prüffall« bezeichnen. Äußerungen von Hoheitsträgern, die in die Rechte einer politischen Partei eingriffen, bedürften nach der Rechtsprechung von Bundesverfassungsgericht und Bundesverwaltungsgericht einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung. Das Bundesverfassungsschutzgesetz enthalte für die Mitteilung, eine Partei werde als »Prüffall« bearbeitet, keine Rechtsgrundlage, erklärten die Kölner Richter. Die Klage der AfD richtete sich nicht dagegen, dass das Bundesamt die Aktivitäten und Positionen der Partei prüft, sondern nur dagegen, dass das Amt dies öffentlich gemacht hatte.

Unionsfraktionsvize Thorsten Frei sprach sich unterdessen dafür aus, das Kölner AfD-Urteil prüfen zu lassen. Bei der Frage der öffentlichen Bekanntgabe eines Prüffalls habe das Gericht eine andere Bewertung vorgenommen als das Bundesamt für Verfassungsschutz, sagte Frei den Online-Portalen der Funke Mediengruppe am Mittwoch.

Er sei der Meinung, dass »das Bundesamt für Verfassungsschutz insgesamt überzeugende Argumente für die Veröffentlichung« habe. Eine Beschwerde halte er deswegen für »angezeigt«. Eine inhaltliche Bewertung, ob die Positionen der AfD verfassungswidrig seien, sei nicht vorgenommen worden, so Frei.

Der Bundesverfassungsschutz hatte Mitte Januar mitgeteilt, dass die Gesamtpartei der AfD als »Prüffall« eingestuft wurde. Es gebe erste Anhaltspunkte dafür, dass sich die Politik der AfD gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung richte, begründete Verfassungsschutzpräsident Haldenwang damals die Entscheidung.

Eine Beobachtung mit geheimdienstlichen Mitteln wie dem Anwerben von V-Leuten ist mit einem Prüffall nicht verbunden. Bei der AfD-Nachwuchsorganisation Junge Alternative und der völkisch-nationalistischen Vereinigung »Der Flügel« um den Thüringer AfD-Vorsitzenden Björn Höcke ging der Verfassungsschutz einen Schritt weiter, indem er diese zu Verdachtsfällen erklärte. Dies ermöglicht auch den Einsatz geheimdienstlicher Mitteln in beschränktem Unfang. Agenturen/nd

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