Abflug ohne Deal

US-Präsident Trump und Nordkoreas Staatschef Kim beenden Gipfel in Hanoi vorzeitig

  • Alexander Isele
  • Lesedauer: 4 Min.

Es war 15.51 Uhr in Hanoi, als die Präsidentenmaschine Air-Force-One abhob. Damit verließ der US-Präsident Vietnam zwei Stunden früher als geplant - und ohne konkretes Ergebnis. Er und der nordkoreanische Staatschef Kim Jong Un konnten sich bei ihrem zweiten Aufeinandertreffen nach dem historischen Gipfel im Juni vergangenen Jahres nicht auf eine angekündigte gemeinsame Erklärung einigen. »Lieber keinen Deal als einen schlechten Deal«, begründete Trump den Abbruch des Gipfels.

Dabei war in dem prächtig geschmückten Saal des Regierungsgästehauses in Hanoi alles bereit für die beiden Staatschefs, zum Abschluss des Treffens ein gemeinsames Dokument zu unterschreiben. Selbst über eine Absichtserklärung zu einer Beendigung des Koreakrieges war im Vorfeld spekuliert worden. Doch dann verkündete am Vormittag die Sprecherin des Weißen Hauses, Sarah Sanders, dass sich der Zeitplan des Gipfels kurzfristig verändert habe: Die Pressekonferenz werde vorgezogen, das Mittagessen gestrichen und Kim Jong Un werde vorzeitig aus Hanoi abreisen.

Auf der Pressekonferenz, zu der Donald Trump und sein Außenminister Mike Pompeo erschienen, nicht aber Kim Jong Un, begründete der US-Präsident das Scheitern des Gipfels damit, dass er und Kim sich nicht auf gegenseitige Zugeständnisse einigen konnten: »Sie wollten, dass wir die Sanktionen aufheben, und zwar alle Sanktionen. Und das konnten wir nicht zusagen«, erklärte Trump. Zwar sei Kim bereit gewesen, »die Atomwaffen bis zu einem bestimmten Punkt abzuschaffen, aber wir konnten uns auch da nicht einigen«. Das Angebot, den Nuklearreaktor Yongbyon und damit das wichtigste Element im Atomprogramm Nordkoreas abzubauen, habe er nach kurzer Beratung mit Pompeo als unzureichend abgelehnt. Nichtsdestotrotz hätten er und Kim gegenseitigen Respekt, es habe eine konstruktive Gesprächsatmosphäre und Warmherzigkeit geherrscht. Verhandlungen mit Pjöngjang sollen in baldigen Arbeitsgesprächen weiterführt werden; ob es einen dritten Gipfel geben wird, sei nicht absehbar.

Mit seiner Einschätzung, der Gipfel seit trotzdem kein Fehlschlag gewesen, dürfte Trump allerdings alleine dastehen, mit versteinerter Miene verkündigte er, es lieber richtig machen zu wollen als schnell. Mitschuld für ein Ausbleiben einer Lösung im Konflikt gab er dann auch, in gewohnter Manier, früheren US-Regierungen: »Das hätte in vielen Amtszeiten von Präsidenten gelöst werden müssen«, so Trump. Die Erkenntnis, dass der Prozess der Denuklearisierung - vorausgesetzt, er startet neu - langwierig und schwierig sein wird, dürfte nun auch bei Trump einsetzen. Das einzige, was er von dem Gipfel mitnimmt, ist die Zusicherung Kims, weiter auf Atom- und Raketentests zu verzichten.

In Südkorea sorgt das magere Ergebnis des Gipfels für Enttäuschung. Ein Sprecher des Präsidenten Moon Jae In nannte das Ausbleiben einer Einigung bedauerlich, südkoreanische Medien berichteten darüber hinaus, dass Moon mit Entsetzen auf den Abbruch des Gipfels reagiert habe. Eigentlich wollte der Präsident an diesem Freitag in einer Rede in der Hauptstadt Seoul Details für neue innerkoreanische Kooperationsprojekte vorstellen. Moon ist einer der treibenden Akteure der Annäherung der beiden Koreas.

Auch sonst sorgt das Ausbleiben eines Ergebnisses beim Gipfel für Skepsis. Aus Moskau kam die Aufforderung, den Dialog zwischen beiden Ländern fortzusetzen, wie das Außenministerium mitteilte. Nordkorea und die USA müssten mehr aufeinander zugehen, Kompromisslösungen finden und mehr Vertrauen schaffen. Es sei offensichtlich, dass dieser Prozess »von allen Beteiligten Zeit und maximale Aufmerksamkeit« erfordere, hieß es in einer Erklärung des russischen Außenministeriums. In Moskau wurde schon vor dem Gipfel die Forderung geäußert, dass auch Südkorea, China, Russland und Japan möglichen Vereinbarungen zustimmen sollten.

Auch Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) bedauerte das abrupte Ende des Gipfels. Eine Verschrottung der nordkoreanische Atomwaffen würde die Welt ein großes Stück sicherer machen, sagte Maas im ZDF. Nordkoreas Verbündeter China äußerte die Hoffnung, dass Washington und Pjöngjang ihren Dialog fortsetzen. Der Streit um das nordkoreanische Atomprogramm könne nicht »über Nacht« beigelegt werden, sagte ein Sprecher des Außenministeriums in Peking. Die nordkoreanische Delegation begab sich direkt nach Abreise aus Vietnam auf den Weg nach Peking, wo das weitere Vorgehen besprochen wird.

Japan lobte dagegen Trumps Entscheidung, den Gipfel vorzeitig abzubrechen. Ministerpräsident Shinzo Abe sagte nach einem Telefonat mit Trump, er unterstütze die Entscheidung, keinen einfachen Kompromiss einzugehen und stattdessen weiter zu verhandeln, »voll und ganz«.

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