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Rechte unter sich

Der Autor Uwe Tellkamp übernimmt eine Veranstaltungsreihe in Dresden - die Gästeliste lässt tief blicken

  • Katharina Schwirkus
  • Lesedauer: 4 Min.

Der Autor Uwe Tellkamp hat die Schirmherrschaft über eine Veranstaltungsreihe namens »70 Jahre DDR« übernommen, die vom 27. Mai bis 9. November im Dresdner Buchhaus Loschwitz stattfinden wird. Nun könnte man sich fragen, wo ist das Problem? Und diese Frage ist sehr leicht zu beantworten. Tellkamp steht seit einem Jahr in der Kritik, weil er vor »illegaler Masseneinwanderung« nach Deutschland warnte. Auch die Ladenbesitzerin des Buchhauses Loschwitz, Susanne Dagen, musste sich in den letzten Jahren mit dem Vorwurf auseinandersetzten, rechte Parolen salonfähig zu machen.

Cornelia Munzinger-Brandt, die seit 21 Jahren in Loschwitz wohnt, sagte dem »nd«: »Ich habe da früher auch eingekauft, weil das die Buchhandlung in meiner Nähe ist. Aber wenn man politisch sehr verschiedene Ansichten hat, kann man auch davon ausgehen, dass man sehr unterschiedliche Bücher liest.« Munzinger-Brandt sitzt für die Grünen im Stadtbezirksbeirat Dresden und kauft bereits seit einigen Jahren nicht mehr im Buchhaus Loschwitz ein.

Anlaufpunkt für AfD und Pegida

Schon 2016 erschien im »Spiegel« ein Text über Dagen, in dem sie als Pegida-Sympathisantin bezeichnet wurde. Seither hat die Frau, die mal als Dresdens beste Buchhändlerin bekannt war, an Kundschaft verloren. Gleichzeitig ist die Buchhandlung zu einem Anlaufpunkt für Anhänger*innen der AfD geworden. Dagen war selbst Kuratoriumsmitglied der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung.

Auf Anfrage des »nd« erklärt Dagen, dass sie die Veranstaltungsreihe mit Tellkamp zusammen erarbeitet habe. Dieser werde nur die Auftaktveranstaltung und eine Veranstaltung mit Vera Lengsfeld im Oktober moderieren. Die anderen vier Veranstaltungen werde sie selbst leiten. Lengsfeld war bis Mitte der 1990er Jahre bei den Grünen aktiv, ihre weitere politische Karriere führte sie immer tiefer ins rechte Lager. Zudem ist sie Initiatorin der »Erklärung 2018«, die im vergangenen März im Internet veröffentlicht wurde. Darin warnten die Autor*innen vor einer vermeintlichen Masseneinwanderung in das deutsche Sozialsystem. Andere rechte Publizist*innen unterstützen die Erklärung, unter ihnen Tellkamp selbst, Henryk M. Broder, Thilo Sarrazin, Jörg Friedrich, Jörg Bernig, Matthias Matussek, Karlheinz Weißmann, Dieter Stein, Andreas Lombard und Eva Herman.

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Rechte reden unter sich

Die Auftaktveranstaltung mit Tellkamp und Arnold Vaatz (CDU) am 27. Mai ist bereits ausverkauft. Keine 14 Tage habe dies gedauert, so Dagen. Der Dresdner CDU-Abgeordnete Vaatz machte zuletzt damit auf sich aufmerksam, dass er den CDU-Berater und Wahlhelfer Werner Patzelt im Zuge seines Engagements für die AfD verteidigte. Die Technische Universität Dresden hatte Ende Januar entschieden, dass Patzelt keine Seniorprofessur erhalten wird. Die Absage wurde unter anderem damit begründet, er habe nach Einschätzung der Fakultätsratsmitglieder Politik und Wissenschaft derart vermischt, dass dem Ruf der Hochschule und der Fakultät geschadet worden sei. Vaatz schrieb kurz darauf auf dem rechten Blog »Achse des Guten« der Fall Patzelt sei die »Geschichte einer Säuberung«. Über diesen Hergang berichtete zuerst Matthias Meisner vom Tagesspiegel umfassend.

Auch die weiteren Gäste der Veranstaltungsreihe sind dem rechten Lager zuzuordnen. So wird auch Michael Klonovsky, der persönliche Referent vom AfD-Vorsitzenden Alexander Gauland eingeladen. Dieser warnte 2015 im »Focus« davor, dass Deutschland »eine Art moderate DDR« drohe, weil »unerwünschte Ansichten« stigmatisiert würden.

Tellkamp hat in seinem Roman »Der Turm« (2008) die letzten Jahre der DDR von 1982 bis 1989 im bürgerlichen Dresdner Milieu aufgearbeitet. Dafür erhielt er unter anderem den Deutschen Buchpreis. In einem Streitgespräch mit Durs Grübein im März 2018 hat Tellkamp behauptet, der aktuelle mediale »Gesinnungskorridor« erinnere an die DDR. Für diese und weitere Aussagen wurde er stark kritisiert, auch sein Verlag - Suhrkamp - distanzierte sich.

Das Problem der Veranstaltungsreihe »70 Jahre DDR« in Dresden liegt damit auf der Hand: Es geht nicht mehr darum, ob man mit politisch rechts eingestellten Menschen reden sollte oder nicht, wie es von ihnen selbst gerne eingefordert wird. Sie reden bereits nur noch unter sich. In den Räumen, die von weiten Teilen des Kulturbürgertums Dresdens nicht mehr aufgesucht werden, können sie ungestört an ihrer eigenen Geschichtsschreibung arbeiten.

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