Erfolg gegen die Autolobby

Einigung zu künftigen Schadstoffemissionsgrenzen von Pkw im EU-Parlament

  • Peter Eßer
  • Lesedauer: 3 Min.

Nach anderthalbjährigen Verhandlungen hat das EU-Parlament die neuen Zielvorgaben für Schadstoffemissionsgrenzwerte von Pkw unter Dach und Fach gebracht. Die Abstimmung in Straßburg war für Mittwochnachmittag (nach Reaktionsschluss) angesetzt. Die Zustimmung gilt als Formsache. Die entsprechende Einigung war trotz erheblichen Lobbydrucks im Dezember in Verhandlungen mit den EU-Mitgliedstaaten erzielt worden. Im Jahr 2030 soll die Neuwagenflotte demnach im Schnitt 37,5 Prozent weniger CO2 ausstoßen als im Referenzjahr 2021. Der Ausstoß leichter Nutzfahrzeuge soll um 31 Prozent gesenkt werden. Zudem gilt für beide Fahrzeugklassen das Zwischenziel einer 15-Prozent-Reduktion bis 2025.

Das sind ehrgeizige Werte. Es ist klar, dass sie nur erreicht werden können, wenn der Anteil an E-Autos und Fahrzeugen mit anderen alternativen Antrieben in den nächsten Jahren deutlich steigt. Eine Mehrheit der EU-Parlamentarier ist dennoch überzeugt, dass es der richtige Weg ist, um auf der einen Seite die Ziele des Klimaabkommens von Paris zu erreichen und auf der anderen die Industrie nicht zu überfordern. Im Gegenteil sollen so die richtigen Anreize geschaffen werden, damit die Autohersteller ihren nicht unwichtigen Teil zur Mobilitätswende beitragen.

Bei der vorerst letzten Debatte im Europaparlament zu dem Thema begrüßte EU-Klimakommissar Miguel Arias Cañete das Ergebnis als »ambitioniert und ausgewogen«. Dabei war der ursprüngliche Vorschlag der EU-Kommission deutlich weniger ehrgeizig: 30 Prozent Reduktion hatte die Behörde eingangs gefordert. »Wir mussten uns gegen den Widerstand der Lobbyisten und auch einiger Mitgliedstaaten behaupten«, fasste die Berichterstatterin des Parlaments, die maltesische Sozialdemokratin Miriam Dalli, die Verhandlungen zusammen.

Welche EU-Länder sie damit meinte, ist kein Geheimnis. Unter den Mitgliedstaaten hatten sich bei dem Thema zum wiederholten Mal tiefe Gräben zwischen Ost und West aufgetan. Benelux-Staaten, Skandinavier, aber auch Spanien und Frankreich forderten ehrgeizige Vorgaben. Dem gegenüber standen vor allem Ungarn, die Slowakei, Bulgarien - und Deutschland. »Es war ein großer Kampf zwischen progressiven Ländern und den anderen, darunter leider auch Deutschland«, beschrieb es der Spitzenkandidat der Europa-Grünen bei der EU-Wahl, der niederländische Abgeordnete Bas Eickhout. »Wir mussten noch mitten in der Nacht auf einen Anruf aus Berlin warten«, erinnerte sich der finnische Liberale Nils Torvalds an die Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten.

Dabei hatte die Bundesregierung bei vorherigen Verhandlungen zu einer gemeinsamen Position der EU-Länder bereits Federn lassen müssen. Als Schmerzgrenze hatte sie zunächst die von der Kommission vorgeschlagenen 30 Prozent Reduktion ins Feld geführt. Mehr sei für die Industrie nicht tragbar. Eine Mehrheit der Staaten, darunter mit Schweden, Frankreich und Spanien Länder mit ebenfalls bedeutender Automobilindustrie, forderte teils deutlich mehr.

Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) hätte sich dem persönlich gerne angeschlossen, war als Vertreterin der Bundesregierung in Brüssel jedoch weisungsgebunden. Schließlich schwenkte Berlin doch um. Schulze schloss sich einem Kompromiss an, der immerhin 35 Prozent Reduktion vorsah. In Diplomatenkreisen war die Rede von einer qualifizierte Mehrheit gegen die deutsch-osteuropäische Blockade. Deutschland wollte sich offenbar nicht die Blöße geben, überstimmt zu werden.

Im EU-Parlament verliefen die Trennlinien in der Debatte zwischen den politischen Lagern: Links-liberales Spektrum gegen industriefreundliche Konservative und klimaskeptische Rechtsaußen. Die Grünen hatten zeitweise CO2-Reduktionen von 75 Prozent gefordert, während der ein oder andere Rechtspopulist am liebsten gar nichts beschlossen hätte. Der konservative Schattenberichterstatter Jens Gieseke (CDU) habe »nun wirklich alles für die Auto-Industrie getan«, sagte hinter vorgehaltener Hand ein Mitglied seiner Fraktion.

Am Ende stimmte das Parlament für 40 Prozent, in den Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten blieben davon 37,5 Prozent übrig. Das ist am Ende zum einen ein typisch europäischer Kompromiss. Zum anderen aber auch ein Achtungserfolg progressiver Politik gegenüber der trotz Diesel-Skandal weiterhin mächtigen Automobil-Lobby.

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